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Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Der Hühnerführer: Roman (German Edition)

Titel: Der Hühnerführer: Roman (German Edition)
Autoren: Hans Weitmayr
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auch schon seinen Namen vergessen: Nilson, Lixon, Pikson oder so ähnlich. Egal, der Mann war Geschichte.  
    Was mich in diesen Jahren aber vor allem beschäftigte, war, dass ich endlich das Geld für mein erstes Auto zusammengespart hatte – gebraucht zwar, aber dafür ein Schnäppchen, ein Notverkauf. Um 10.000 Schilling erstand ich einen Mini Cooper – Spitze 150 km/h, mit einem Fahrwerk, das höchstens auf 90 ausgelegt war. Machte mir nichts aus, solange das Gaspedal funktionierte. Und die Farbe! “Racing Green Metallisé”, wie mir der Besitzer mit leiser Stimme erklärte.   
    Ja, der Idiot hatte den Mini für eine Familie eingetauscht.   
    Sein Pech, mein renngrünes Glück.  
    Mit anderen Worten: Es waren gute Jahre, es waren schnelle Jahre. Es waren Jahre, in denen ich das vielleicht heißeste Auto der Stadt fuhr und die jungen Fräuleins für eine Probefahrt Schlange standen.   
    Gute Jahre, schnelle Jahre.   
    Und weit weniger prüde, als man uns glauben machen wollte . 
     

  1962 
     
     
    1962 sah ich mich eines Vormittags mit einem Gesicht konfrontiert, dem ich beim besten Willen keinen Namen zuordnen konnte. Dem mir Unbekannten schien es hingegen genau umgekehrt zu ergehen: “Guten Morgen, Herr Alexander, das ist jetzt eine ganze Weile her.”  
    “ In der Tat”, erwiderte ich. möglichst zuvorkommend lächelnd, während ich mir den Kopf darüber zerbrach, welche Art von Gast mir da gegenüber stehen könnte. Gutes Trinkgeld, schlechtes? Theater-, Opern- oder Sightseeingkarten? Hoffentlich nicht letzteres, hoffentlich kein Stadtbesichtiger. Denn in der Regel buchten Touristen, die die Stadt bereits ein Mal mit dem Bus durchfahren hatten, keine weitere Tour. Opern- und Theaterinteressierte neigten jedoch dazu, eine gewisse Abhängigkeit zu entwickeln, dann ging das Geschäft mit ihnen immer weiter.  
    Doch die paar Augenblicke, die mir für die Zuordnung des Gesichts zur Verfügung standen, reichten nicht aus – ich hatte nach wie vor keine Ahnung, wer mich da eben so freundlich begrüßt hatte.  
    “ Wie schön, dass Sie unser Haus wieder beehren. Wie lange dürfen wir uns darüber freuen, Sie als Gast zu beherbergen?”  
    Es war der übliche Bluff: Gestelzte Sätze bilden, die die   Namensnennung aussparen, aber trotzdem die Illusion hervorrufen, man habe all die Jahre, oder Monate, (wer konnte das bei der Gästefrequenz wirklich sagen?), nur auf diesen einen speziellen Menschen gewartet. 
    “ Ach, wie letztes Mal, ein Wochenende.” 
    “ Nur? Wie schade. Darf ich die Anmeldeformalitäten gleich erledigen? Dann haben wir es hinter uns und Sie können Ihren Aufenthalt bei uns genießen.” 
    “ Selbstverständlich.” Der fremde Bekannte zog seinen Pass aus der Innentasche seines Sakkos und reichte ihn mir. Ein Herr Dvorschak aus dem 19. Wiener Gemeindebezirk. Es begann zu dämmern. Ich erinnerte mich an das dicke Trinkgeld bei Übergabe des Schlüssels und die  doppelt so hohe Zuwendung beim Auschecken. Das waren Beträge, die betuchte Gäste zurückließen, wenn sie eine Woche geblieben waren. Gutes, leichtes Geld also und in etwa der Schnitt, der übrig geblieben wäre, hätte ich Herrn Dvorschak zwei Mal die Traviata in Topbesetzung besorgt.  
    Nach dreieinhalb Jahren im Hotel passierte mir der Lapsus, dass ich erfreut “Herr Dvorschak, natürlich!”, ausrief und so zu erkennen gab, dass ich ihn eben nicht erkannt hatte,   nicht. 39 Monate Hotelbetrieb hatten aus mir eine gut geölte Fremdensverkehrsmaschine gemacht.  
    Ich sagte also nur, “ich hoffe, Sie werden Ihren Aufenthalt genießen” und ließ alles so ablaufen wie vor drei Jahren. In der Lobby wirkte Herr Dvorschak wieder nervös und fahrig, im Zimmer angekommen, jedoch entspannt. Auch das Ausmaß des Trinkgeldes hatte sich zu meiner Freude nicht verändert.   
    Das Leben meinte es gut mit mir.  
     
     
    ***
     
     
    An jenem Tag beschloss ich, zur Mittagszeit meiner eingangs erwähnten Vorliebe für Hühnerfleisch Rechnung zu tragen. Zu diesem Zweck begab ich mich ins Wienerwald, einer neu eröffneten Restaurantkette, die sich vornehmlich auf die Zubereitung von Huhn spezialisiert hatte. Das Geschäftsmodell war von Beginn an von außerordentlichem Erfolg gekrönt – ein Siegeszug, der mir für meinen Geschmack schon wieder zu triumphal ausfiel. Denn nicht nur ein Mal war es vorgekommen, dass Platzmangel mich dazu zwang, das Lokal wieder unverrichteter Dinge zu verlassen. Genau dieses
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