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Der Hoteldetektiv

Der Hoteldetektiv

Titel: Der Hoteldetektiv
Autoren: Alexandra Cordes
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meine Vorliebe für Tee, mit einem kleinen Zweig
    frischer Minze gewürzt.
    »Trouble?« fragte er.
    Ich berichtete ihm von Jasmin, von den Briggs und dem üblen
    Geruch in der sechsten Etage.
    »Ich könnte ja die Eltern unserer lieben kleinen Gäste kommen
    lassen«, sagte er, »aber was würde es nützen? Es gäbe einen Skan-
    dal.« Unausgesprochen stand sofort dahinter: Und das können wir
    uns ebensowenig leisten wie irgendein anderes Hotel.
    Das war das große Problem, dem wir immer wieder gegenüber-
    standen.
    Passierte etwas Außergewöhnliches – wir mußten als erstes dafür
    sorgen, daß es nicht bekannt wurde, keinesfalls anderen Gästen und schon gar nicht der Öffentlichkeit zu Ohren kam.
    »Telefon, Monsieur Westmann.« Der Barkeeper reichte ihm den
    Hörer des mit violettem Samt umkleideten Apparates.
    Er lauschte einen Moment lang, um seinen linken Mundwinkel
    begann es zucken. Das war das einzige, was sich in seinem schma-
    len, glattrasierten blassen Gesicht veränderte.
    Westmann legte den Hörer sacht wieder auf.
    »Das ist etwas für Sie, Jörg«, sagte er leise.
    Wir verließen die Bar durch den Service-Ausgang, liefen durch den
    von grellen Neonröhren erleuchteten Flur, fuhren mit dem Lasten-
    aufzug hinunter ins Souterrain.
    Die stickige Luft war wie eine Mauer, es stank nach Arrak, nach
    Männerschweiß und anderen Ausdünstungen.
    9
    Hundertfünfzig Menschen insgesamt lebten hier unten – ohne
    Tageslicht, die Sklaven des Red Rock, wie Jinny sie einmal traurig be-zeichnet hatte.
    Da waren die Reihen der Betten, jeweils zwei übereinander, Prit-
    schen, wie ich sie noch aus den Bunkern des Krieges kannte, sau-
    ber, und dennoch, was konnte man bei einer solchen beklemmen-
    den Hitze und Enge schon sauber nennen?
    Auch hier schien grelles Licht. Es leuchtete die drei großen Räu-
    me, die weißgetünchten Wände mit den blauen und roten Hand-
    abdrücken – Schutzwunsch gegen böse Geister – und die braunen
    flachen Gesichter der Libanesen schattenlos an.
    Die Männer standen stumm, mit hängenden Schultern, die Hän-
    de schlaff. Ihre dunklen Augen folgten uns ausdruckslos – und es
    war, als schritten wir eine Front von Zombies ab.
    Im dritten Raum lag der Mann vor einem Tisch, auf dem eine
    Lache schimmerte – Arrak, das Al heilmittel, das sogar Mohammed
    erlaubt.
    Der Mann war tot, seine Kehle von einem Ohr zum anderen auf-
    geschlitzt.
    »Wer hat das getan?« fragte Westmann. Sie standen im Halbkreis,
    in ihren braunen engen Hosen und den gelben dünnen Baumwoll-
    hemden ihrer Freizeituniform. Ich zählte vierzehn junge Männer –
    sie arbeiteten als Kellner und als ›Zimmermädchen‹, sie arbeiteten draußen am Swimmingpool und in der Garage, in der Wäscherei
    und in der Küche, bis auf die wenigen Tage im Jahr, da sie ihre Familien besuchen durften.
    Der Größte von ihnen, mit einem hageren Gesicht, trat schließ-
    lich vor.
    »Ich bin Hassan Ibn Bali.«
    »Hassan, was hast du gesehen?« fragte Westmann. Er sprach das
    palästinensische Arabisch mit ihm, denn Hassan stammte ursprüng-
    lich aus Acco.
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    »Wir haben Karten gespielt. Und dann haben wir die Lieder un-
    seres Palästina gesungen.«
    »Vom Singen ist noch niemand gestorben«, sagte ich.
    »Nein, Monsieur.« Hassan sah mich an, wechselte ins Franzö-
    sische über. »Aber plötzlich kam ein Mann herein, ging auf Ali
    Mukhba zu, zog ein Messer – und schon lag Mukhba da und war
    tot.«
    »Und wo ist der Mann?«
    »Fort, Monsieur.«
    »Wer war es?«
    »Ein Fremder, Monsieur.« Hassan zögerte, in seinen dunklen Au-
    gen zuckte es. »Es war ein Weißer, Monsieur«, flüsterte er.
    »Wie sah er aus?«
    »Jung, Monsieur. Ich weiß nicht, Monsieur. Vielleicht blond,
    Monsieur.« Hassan zitterte jetzt vor Angst und versuchte krampf-
    haft, es sich nicht anmerken zu lassen.
    »Hattest du den Mann vorher schon einmal gesehen?«
    »Ich weiß nicht, Monsieur. Ich glaube nicht, Monsieur.«
    »Das werden Sie auch der Polizei erzählen müssen, Hassan.«
    »Ja, Monsieur.« Er senkte den Kopf. Sein tiefschwarzes Haar sah
    aus, als sei es naß vom Angstschweiß.
    Wir warteten, bis der zuständige Kommissar eintraf. Er war ein
    Mann von gut zweihundert Pfund. Sein Gesicht hatte die Aus-
    druckslosigkeit eines Buddhas. Er trug natürlich Zivil. Er versprach Westmann, daß der Tote im hoteleigenen Lieferwagen vom Ge-lände geschafft würde, um jedes mögliche Aufsehen zu vermeiden.
    In dem Lieferwagen roch es süß nach der
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