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Der Hirte, Teil 4 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)

Der Hirte, Teil 4 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)

Titel: Der Hirte, Teil 4 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
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nach der Hand des Bürgermeisters, als wäre sie aus Glas. Dielsdorfer erwiderte den Händedruck.
    „Willkommen, Herr von Mandach “, sagte er. „Gesegnetes Christfest.“

***

    „Könnt Ihr mir ein paar Männer mitgeben?“, fragte Rainald.
    „Wozu?“
    „In meiner Begleitung befand sich eine junge Klosterschwester. Sie hat uns gerettet. Die Wölfe haben sie gekriegt. Ich möchte Ihren Leichnam nicht draußen liegen lassen.“ Es kostete Kraft, äußerlich gelassen zu bleiben.
    „Wir haben niemanden gesehen“, sagte Dielsdorfer . „Nur Euch und wie Ihr mit den Kindern auf die Stadt zugelaufen kamt.“
    „Schwester Venia hat versucht, die Aufmerksamkeit der Wölfe auf sich zu ziehen. Sie hat uns den Vorsprung verschafft, der uns gerettet hat.“
    Dielsdorfer sah ihn so lange an, dass Rainald glaubte, der Mann habe ihn nicht verstanden.
    „Schwester Venia …“, begann er erneut.
    Dielsdorfer nahm seinen Arm. „Kinder, euer Vater und ich müssen etwas bereden“, sagte er über die Schultern. „Einer der Stadtknechte wird euch zu meinem Haus bringen.“ Er zwinkerte erneut. „Ich habe fünf Kinder, die schon darauf warten, dass wir endlich mit dem Essen anfangen. Setzt euch dazu. Euer Vater und ich kommen gleich nach.“
    „Aber …“, sagte Rainald.
    „Ich muss Euch etwas zeigen“, sagte Dielsdorfer . Rainald stolperte neben ihm her, dann blieb er plötzlich stehen. Er packte Dielsdorfers Hand.
    „Es tut mir leid, was ich Euch angetan habe“, würgte er hervor. „Ich war nicht ich selbst.“
    „Na ja, Ihr habt mich eine Stange Geld gekostet“, sagte Dielsdorfer und lächelte. „Und Ihr habt mir gezeigt, was aus einem Mann werden kann, der glaubt, keine Freunde mehr zu haben und dessen Freunde vergessen haben, sich ihm bemerkbar zu machen. Das ist nicht mit Geld aufzuwiegen.“
    „Bitte lasst mich Schwester Venia holen“, sagte Rainald. Seine Stimme schwankte. „Ich kann sie nicht draußen liegen lassen. Gott der Herr hat sie mir geschickt.“
    „Kommt mit.“ Dielsdorfer setzte sich wieder Bewegung, und Rainald folgte ihm, bis sie vor einem Gebäudekomplex wie einer Burg inmitten der Stadt standen.
    „Das ist das Kloster von Sankt Irminen“, sagte Dielsdorfer und hämmerte gegen die Klosterpforte.
    „Ich bin Bürgermeister Dielsdorfer “, sagte er. „Ich muss die Mutter Oberin sprechen.“
    Die Riegel des Klosters scharrten, und die Pforte öffnete sich. Rainald folgte dem Bürgermeister in einen Vorraum, hörte zu, wie Dielsdorfer in ein vergittertes Fenster hineinsprach.
    „Wir müssen zur Einsiedlerin“, sagte Dielsdorfer . „Es ist dringend, Mutter Oberin.“
    „Sie wird euch nicht empfangen“, sagte eine Stimme hinter dem Fenster.
    Dielsdorfer schwieg. Der helle Fleck des Gesichts hinter dem Gitter verschwand.
    „Vor zwanzig Jahren“, sagte Dielsdorfer , „war eine kleine Gesellschaft durch den Wald unterwegs zur Stadt. Es war der Weihnachtstag. Es war bitterkalt, der Schnee lag hoch, und ein Wolfsrudel machte die Gegend seit Wochen unsicher. Die Stadt hatte Gruppen von Bewaffneten ausgesandt, um die Reisenden, die erwartet wurden, in Sicherheit zu bringen. Die Gruppe bestand aus einigen Klosterschwestern und den Kindern von drei, vier Familien hier aus der Stadt.“
    Dielsdorfer seufzte.
    „Alles, was die Stadtknechte fanden, war eine junge Klosterschwester. Sie war allein und irrte halb besinnungslos im Wald umher, die Kutte zerrissen und voller Blut. Sie brachten sie zurück in die Stadt. Es stellte sich heraus, dass die Gruppe von Wölfen angegriffen worden war. Die junge Klosterschwester konnte als einzige fliehen; alle anderen fielen den Tieren zum Opfer.“
    Die Tür, in der das vergitterte Fenster saß, öffnete sich, und eine ältere Schwester mit einer Laterne in der Hand sah Dielsdorfer und Rainald ohne Neugier an.
    „Folgt mir“, sagte sie.
    Vor einer Zelle in einem ansonsten vollkommen verlassen scheinenden Gang blieb sie stehen.
    „Sie wird nicht öffnen“, sagte sie. „Sie hat zwanzig Jahre lang diese Tür nicht geöffnet. Was sie zum Leben brauchte, haben wir durch diese Klappe hineingereicht. Sie hat zwanzig Jahre kein Wort gesprochen, außer im Gebet.“
    Dielsdorfer machte eine auffordernde Geste. Die Oberin klopfte an der Zellentür.
    „Schwester Venia?“, fragte sie.
    Rainald erstarrte. Sein Mund öffnete sich.
    „Macht auf, Mutter Oberin“, sagte Dielsdorfer sanft. „Ich bin sicher, sie hat nichts dagegen.“
    Die Oberin sah von
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