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Der Hirte, Teil 4 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)

Der Hirte, Teil 4 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)

Titel: Der Hirte, Teil 4 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
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haben. Sie wussten, dass ich und meine Männer und der größte Teil der Pächter in den Wäldern unterwegs waren. Ich habe die Spuren gesehen: sie waren höchstens ein Dutzend, mehr nicht. Sie hätten eine kleine Armee benötigt, wenn ich zu Hause gewesen wäre.“
    Rainald schluckte. Er sah sich wieder, wie er plötzlich innehielt, weil ein paar seiner Treiber die Köpfe wandten und schnupperten; er erinnerte sich, dass er selbst geschnuppert hatte und wie er erkannt hatte, dass es Rauchgeruch war, der über dem strengen Duft seines schwitzenden Pferdes vernehmbar war. Er erinnerte sich an die Angst, mit der er Caesar die Sporen gegeben und allen voran zurück nach Hause geprescht war, weil der Rauchgeruch nicht nach einem friedlichen Kaminfeuer roch und hier, in der unmittelbaren Umgebung seines eigenen Besitzes, nur bedeuten konnte, dass es in seinem Haus brannte. Er erinnerte sich an das namenlose Entsetzen, als er die brennenden Pächterhütten gesehen hatte und die reglosen Körper dazwischen und das offen hin und her schwingende Tor zu seiner Burg …
    „Ich sah die Hunde als erstes“, sagte er mit weit aufgerissenen Augen und starrte an Schwester Venias Gesicht vorbei dem Zusammenbruch seines Lebens ein zweites Mal ins Auge. „Sie hatten versucht, ihr Heim zu verteidigen. Ihre Körper steckten voller Pfeile.“
    Irgendwie musste er nach oben gekommen sein in den Saal. Er wusste es nicht mehr. Alles, was man von den Wänden reißen konnte, hatten die Angreifer von den Wänden gerissen. Alles, was man hatte zerhacken, zerschmettern, zerfetzen können, war in Trümmern. Eine kalte Hand hatte seine Innereien erfasst und presste sie erbarmungslos zusammen. Er war nur undeutlich gewahr, dass seine Männer nach ihm in den Saal platzten und entsetzt zurückprallten. Er wusste, was er finden würde. Er wusste es … es war, als habe eine Stimme es ihm zugeflüstert, seit er den ersten Rauchgeruch wahrgenommen hatte. Er fühlte, wie ein Zittern seinen ganzen Körper erfasste.
    „Ich fand sie zwischen den Trümmern, halb zugedeckt von einem Wandbehang. Sie war tot. Sie hatten sie … sie … und am Ende … eines der Eisen aus dem Kamin …“
    Rainald vergrub das Gesicht in den Händen und weinte. Er konnte sich nicht helfen. Ob Johannes ihn so sah oder Blanka; er konnte es nicht zurückhalten. Er fühlte keine Verlegenheit wegen Schwester Venia. Wenn er überhaupt etwas fühlte, dann abgrundtiefes Bedauern darüber, dass er diesen Schmerz ein zweites Mal durchleben musste, und das gähnende Entsetzen darüber, wie frisch er noch immer war. Sein Körper war eine Muschel gewesen in den letzten Monaten. Statt eines Steins war das Leid in seinen Panzer gedrungen, und er hatte eine harte Schicht darüber gebildet, um weiterleben zu können. Im Inneren dieser Schicht jedoch war der Schmerz gleich geblieben. Der heutige Tag hatte den Schutz abplatzen lassen.
    „Ich war sicher, dass sie die Kinder mitgenommen hatten“, flüsterte er nach einer Weile. „Das war, nachdem ich fast alles, was sie übriggelassen hatten, zerschlagen oder umhergeworfen hatte. Mein Hals war wund, so hatte ich gebrüllt. Schließlich konnte ich nicht mehr. Ich sank vor Sophias Leiche zusammen. Ich glaube, ich wäre dort einfach sitzengeblieben bis zum Jüngsten Tag, doch dann hörte ich das Weinen. In einer Nische stand eine große Truhe; ein Wandteppich musste sie schon ganz zu Anfang unter sich begraben haben, denn sie hatten sie nicht gefunden. Ich öffnete sie.“
    Rainald blickte auf. Er sah Johannes in ein paar Schritten Entfernung reglos dastehen und mit großen Augen lauschen. Auch Blanka hatte ihr stummes Spiel eingestellt und hörte zu.
    „Ich habe heute das Gleiche getan wie Johannes während des Überfalls. Statt Euch zu helfen, habe ich meine Kinder in Sicherheit gebracht. Johannes hat seine kleine Schwester in Sicherheit gebracht.“
    „Er hätte nicht gegen die Männer kämpfen können“, sagte Schwester Venia.
    „Nein, aber er hätte davonreiten und mich alarmieren können. Dann wäre ich eine halbe Stunde früher zu Hause eingetroffen. Eine halbe Stunde hätte gereicht.“
    „Nein“, sagte Schwester Venia. „Nie und nimmer.“
    „Woher wollt Ihr das wissen?“
    „Weil du, wenn die Fährte erst eine halbe Stunde alt gewesen wäre, die Verfolgung der Angreifer aufgenommen hättest. So gut kenne ich dich nun schon. Also waren sie schon eine ganze Weile länger wieder weg als nur eine halbe Stunde.“
    Rainald versuchte
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