Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der hinkende Rhythmus

Der hinkende Rhythmus

Titel: Der hinkende Rhythmus
Autoren: Gaye Boralıoğlu
Vom Netzwerk:
bereit!

    In dieser schattenlosen Nacht fanden sich am Eingang der Gasse die jungen Männer des Viertels allmählich zusammen. Keiner sprach. Jeder benahm sich, als wäre er allein, als gäbe es niemanden weit und breit. Die Augen glühten in der Finsternis in Erwartung der verbotenen Lust. Es war kalt draußen, aber alle schwitzten.
    Erst nachdem genug Publikum eingetroffen war, erschien Yunus, drehte sein Tamburin um und hielt es den Versammelten entgegen. Die Jünglinge steckten ihre Hände in die Taschen, zogen sie dann mit zusammengeknüllten Scheinen in verschwitzten Handflächen wieder heraus und warfen das Geld in den Brunnen des Tamburins. Bald waren alle Taschen geleert und Yunus lief geräuschlos voraus. Und geräuschlos folgten ihm die jungen Männer. Unregelmäßige Atemzüge wanderten durch die Gassen des Viertels.
    Schließlich erreichten sie die Rückseite des Hauses. Sie stellten sich vor das Badfenster und warteten. Yunus schlug dreimal gegen die Scheibe. Da erschien ein fragiles Licht. Die jungen Kerle hielten den Atem an, regten sich unwillkürlich, verlagerten ihr Körpergewicht von einem Bein auf das andere, immer den Blick auf das Fenster gerichtet. Eine unsichtbare Hand zog den Vorhang langsam auf. Yunus lehnte den Rücken gegen die Hauswand und ging unter dem Fenster in die Hocke. Er sah niemandem ins Gesicht, senkte den Kopf und suchte mit den Augen nach Regenwürmern.
    Güldane hatte im Badezimmer eine einzige Kerze angezündet und dem Fenster den Rücken gekehrt. Wie viele Menschen draußen waren, wer sie waren und wie alt, wusste sie nicht. Sie kümmerte sich auch nicht darum. Sie war in ihrer eigenen Welt. Sie wusste nur, dass ihr zugeschaut wurde und dieses geheime Spiel ließ ihr Herz erzittern. Keine Berührung, nicht der innigste Kuss, nicht der süßeste Liebesakt könnte dieses Spiel ersetzen. In diesem Augenblick verliebte sich Güldane; sie verliebte sich in die Güldane in den Augen ihrer Zuschauer.
    Ohne sich im Geringsten zu beeilen, löste sie einen nach dem anderen die Knöpfe ihrer Weste, zog sie so graziös, als würde sie einen Satinumhang ablegen, aus und ließ sie sachte auf den Boden gleiten.
    Die Jungs schluckten und rissen ihre Augen weit auf, obwohl ihnen das auch nicht zu einer besseren Sicht verhalf.
    Güldane strich ihr Kopftuch ab. Sie öffnete den Reißverschluss ihres Kleids, zog den Rock hoch, raffte den Rocksaum in den Händen, zog ihr Kleid so langsam aus, dass es für manche bis zum Jüngsten Gericht dauerte, und so schnell, dass es für andere gerade zum Ausatmen reichte, und schleuderte es fort.
    Während das Kleid auf den Boden fiel, wurden die Herzschläge der Zuschauer zu einem einzigen Trommelwirbel; fast hätten sie das ganze Viertel aufgeschreckt. Yunus wurde unruhig, er hob den Kopf und musterte sie. Der Anblick der jungen Männer mit den weit aufgerissenen Mündern, den verschwitzten Stirnen und den hervortretenden Augen amüsierte ihn so sehr, dass er fast schallend gelacht hätte, aber er tat es nicht.
    Das zittrige Licht der billigen weißen Kerze erhellte jetzt die Schultern Güldanes. Ihre roten Haare flossen über ihr Unterhemd zu ihrer Taille hinab und endeten drei Fingerbreit über ihrer Unterhose. Ihre langen Beine, ihre nackten Füße waren so fest angespannt, als würden sie eine erlesene Statue tragen.
    Güldane blieb eine Weile ohne Regung stehen, damit ihre Zuschauer diesen Moment auskosten, damit sie jedes Detail mit ihren Blicken haarfein erkunden konnten. Die Jünglinge des Viertels verfolgten eine Vorführung, die fesselnder war als der aufregendste Film; sie hätten nichts dagegen gehabt, ihr ganzes Leben so zu verbringen.
    Güldane kreuzte langsam die Arme und zog ihr Unterhemd aus. Die jungen Männer schluckten. Im blassen Licht, das durch das Badezimmerfenster auf ihre Gesichter fiel, hüpften ihre Adamsäpfel auf und ab. Güldane war sich bewusst, wie ungeduldig sie waren. Sie wusste es; sie wusste, dass sie sich so schnell wie möglich dem Ende nähern und gleichzeitig bis in alle Ewigkeit hier verharren wollten. Sie genoss die Armseligkeit ihrer Zuschauer.
    Sie stand immer noch mit dem Rücken zu ihnen, ihre Hände wanderten langsam zu dem Haken ihres BHs und lösten ihn. Sie fing an, die Träger abzustreifen. Einige konnten sich nicht beherrschen und stöhnten in die Dunkelheit hinein. Güldanes BH fiel auf den Boden und im selben Augenblick blies sie die Kerze aus und zog den Vorhang zu.
    Die Vorstellung war zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher