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Der Himmel kann noch warten

Der Himmel kann noch warten

Titel: Der Himmel kann noch warten
Autoren: Gideon Samson
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Was weiß er schon davon?
    »Schreibst du eine Geschichte?«, fragt er.
    »So in der Art.«
    »Möchtest du sie vorlesen?«
    »Nein.«
    Ich will schon. Gern sogar. Jani scheint mir zum Vorlesen genau richtig zu sein. Er versteht es sowieso nicht. Und aus meinem Schreibheft vorzulesen, ist schön.
    »Warum nicht?«, fragt Jani.
    »Weil es von dir handelt.«
    »Von mir?« Das gefällt Jani. Es macht ihn total neugierig. »Und was steht da?«, fragt er. »Schöne Sachen über mich?«
    »Nein.«
    »Was denn?«
    »Dass du ein Plappermaul bist«, sage ich. »Und ein Witzbold.«
    Jani lacht. Ihm gefällt das.
    »Nur ein kleines Stück«, sagt er.
    »Nein.«
    »Bitte!«
    Ich werde Jani ärgern. Weil er so herumnervt. Und weil er ein Ausrufezeichen verwendet hat.
    »Gut«, sage ich. »Ein ganz kleines Stück.«
    Ich blättere in dem Heft und lese vor, dass Jani stirbt. Dass die Ärzte sagen, das hier wäre das Sterbezimmer.
    Jani findet es nicht schön. Es bringt ihn zum Weinen. Er drückt auf seinen Knopf-für-wichtige-Dinge.
    Da ist Aisha schon. Aisha ist immer lieb. Viel zu lieb.
    »Was ist, kleiner Schatz?«, fragt sie Jani.
    Aber er kann nur noch weinen. Aisha setzt sich zu ihm.
    »Kleiner Schatz«, sagt sie. »Ganz ruhig, lieber Junge.« Sie streichelt Jani über den Kopf. Wäre nichts für mich, das Streicheln. Aber Aisha tut es doch. Und Jani wird ruhig davon.
    »Jani lacht, Jani weint«, sagt Aisha. »Wollen wir vielleicht etwas spielen?«
    Das will Jani.
    »Ich nehme ein Tier«, sagt Aisha, »und mit dem letzten Buchstaben machst du ein neues Tier. Einverstanden?«
    Jani ist einverstanden.
    »Machst du auch mit?«, fragt Aisha mich.
    Ich nicke.
    »Affe«, beginnt Aisha. Ich wusste, dass sie Affe sagen würde.
    »Elefant!«, sagt Jani.
    Wieder lächelt Aisha ihn viel zu lieb an. Elefant, darauf wäre jeder gekommen.
    »Du bist dran«, sagt Aisha.
    »Tod«, sage ich.
    Aisha schüttelt den Kopf. »Nein, Belle«, sagt sie. »Das ist kein Tier.« Aber Jani weint schon wieder und Aisha muss ihn trösten.
    Wir hören auf zu spielen.
    »Wieso hast du das gemacht?«, fragt Jani. Wir haben gerade so etwas Ähnliches wie gegessen und seine Tränen sind alle.
    »Was gemacht?«, frage ich.
    »Das dumme Stück vorgelesen.«
    »Du wolltest es doch hören?« Wie gemein ich klinge. Überhaupt nicht nett. Aber wenn man krank ist, muss man das auch nicht. Gesunde Leute müssen nett sein. Kranke Leute nicht.
    »Es ist nichts weiter als dein Tagebuch«, sagt Jani. »Aber eins, in dem du schwindelst.«
    Er meint natürlich lügst. Nicht schwindelst. Schwindeln tut man wegen eines Bonbons, das man gestohlen hat. Und meiner Meinung nach sind Tagebücher immer voll von Lügen. Weil die meisten Leute nur dann hineinschreiben, wenn sie wütend oder traurig sind. Und dann liest man es später und denkt: Das war ein sehr wütender und trauriger Mensch. Während das vielleicht überhaupt nicht stimmt. In meinem Schreibheft ist es halb so schlimm. Da schreibe ich nur auf, was passiert.
    »Es ist kein Tagebuch«, sage ich.
    »Was dann?«
    »Ein Heft für, wenn ich tot bin.«
    »Wieso?«
    »Alle dürfen es lesen, wenn es mich nicht mehr gibt.«
    Jani kapiert es nicht.
    »Dann wird es ein Buch und dann werde ich berühmt«, sage ich. »Genau wie Anne Frank.«
    »Wer?«
    »Und dann sagen die Leute: ‹Lest doch nur, das arme Kind. Seht doch nur, wie schön sie schreibt. Und jetzt gibt es sie nicht mehr.› Verstehst du?«
    »Wer ist Anne Frank?«, fragt Jani.
    »Ein Mädchen.«
    »Ist sie tot?«
    »Ja.«
    »Was hatte sie denn?«
    »Nichts.«
    Jani denkt lange nach. Dann sagt er: »Es gibt sie noch.«
    »Wen?«
    »Das Mädchen.«
    »Anne Frank?«
    Jani nickt. »Im Himmel.«
    Oh nein. Ich will nicht mit Jani über den Himmel reden. Denn dann fängt er bestimmt wieder an zu weinen. Ich kann sehr gemeine Dinge über den Himmel sagen. Und das sollte ich nicht. Wirklich nicht.
    Na gut, nur eins.
    »Es gibt keinen Himmel.«
    Es ist sehr gemein. Aber Jani darf es ruhig wissen.
    »Du schwindelst«, sagt Jani. »Du schwindelst wieder.«
    Gut. Dann sage ich eben nichts mehr dazu.
    »Du kommst auch in den Himmel«, sagt Jani. »Alle kommen dahin.«
    »Ja?«
    »Ja.«
    »Und wie sieht der Himmel aus?«
    Jani denkt kurz nach. Bestimmt richtet er in seinem Kopf gerade einen Himmel ein. Ich bin neugierig.
    »Es ist groß da«, sagt Jani.
    »Und weiter?«
    »Hell. Groß und hell.«
    »Aha«, sage ich. »Das ist schön.«
    »Ja«, sagt Jani. »Es gibt Wolken und nur
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