Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Himmel kann noch warten

Der Himmel kann noch warten

Titel: Der Himmel kann noch warten
Autoren: Gideon Samson
Vom Netzwerk:
Wunderbar!, der andere. Sie küssten sich, bis die Lakritze alle war. Und danach noch mehr. Und noch einmal
.
    Plötzlich wollte die ganze Welt Lakritze. Die Lakritzschnüre verkauften sich wie der Blitz und die Wettkämpfe wurden sehrbeliebt. Alle machten es, alle küssten sich und alle wurden fürchterlich dick von der vielen Lakritze
.
    »So geht das nicht mehr weiter«, sagte der Chef der Welt. Er zog an seinem Bart (das brachte ihn immer auf neue Ideen), aber ihm fiel nichts ein. Also rief er seine Frau zu sich
.
    »Was sollen wir tun?«, fragte er sie. Sie zuckte mit den Schultern, schaute ihren Mann an und plötzlich, in einer Art Aufwallung, gab sie ihm einen Kuss. Schön!, dachte er. Wunderbar!, dachte sie. Und da wussten sie es
.
    KÜSSEN OHNE LAKRITZE. Dieser Satz ging um die ganze Welt. Zuerst hing er auf großen Postern und dann sagten es sich alle gegenseitig
.
    »Ohne Lakritze?«
    »Habe ich gelesen.«
    »Geht das denn einfach so?«
    »Anscheinend ja

    Und sofort küssten sie sich
.
    Nach einer Weile war es ganz normal. Die Leute aßen keine Lakritze mehr dazu und alle dicken Bäuche wurden wieder dünn
.
    Und so ist das Küssen entstanden
.
    Ich lese mir die Geschichte noch mal durch. Sie ist ziemlich witzig. Vielleicht etwas kindisch. Besonders zufrieden bin ich mit dem Wort »Aufwallung«. Es ist ein schönes Wort.

SCHON BRÜSTE
    »Wie war es heute Nacht?«, fragt Mama.
    »Dunkel.«
    »Ja, aber wie war deine Nacht?«
    »Dunkel.«
    Mama nickt. Sie belässt es dabei.
    »Wo ist Jani?«, fragt Mama.
    »Tot.«
    »Wirklich?«
    »Nein, Ma.«
    Ich erzähle ihr, dass Jani heute Nacht mit Schmerzen aufgewacht ist. Sehr starken Schmerzen. Dass ein Arzt gekommen ist. Und dass Jani aus dem Zimmer gefahren wurde.
    »Scheußlich«, sagt Mama. »Wie ungeheuer scheußlich.«
    »Jani glaubt an den Himmel«, sage ich.
    Mama hat nichts mit dem Himmel am Hut. Sie schaut auf die leere Stelle, wo das Bett stand. Sie nickt. »Sehr gut«, sagt sie.
    Manchmal verstehe ich Mama nicht.
    Wir lesen. Oder besser gesagt: Mama liest. Ich tue, als würde ich.
    Es funktioniert nicht im Geringsten.
    »Wollen wir uns einen Film ansehen?«, fragt Mama.
    »Wieso?«
    Mama zuckt mit den Schultern. »Ein bisschen Ablenkung.«
    Ich will keinen Film sehen. Ich will nichts.
    »Wir lesen doch gerade«, sage ich. Ich muss aufpassen, ich rede schon fast mit Ausrufezeichen.
    »Auch gut«, sagt Mama. »Aber ich dachte, ein Film wäre vielleicht schön.«
    »Nein.«
    Mama schaut mich lange an. Sie tut es mit ihrem Ich-verstehe-alles-Blick. Den hat sie hier im Krankenhaus gelernt. Ihre Tochter ist der Boss. Die darf entscheiden, was passiert und was nicht. Denn die ist ja so arm dran. Mama versteht alles.
    »Wann kommt Robert wieder?«, fragt Mama.
    Sie meint schlichtweg Papa. Wenn Mama so aus dem Nichts von ihm anfängt, weiß ich, was die Uhr geschlagen hat. Aber ich will nicht. Und ich muss nicht. Ich bin krank und arm dran.
    »Nachher«, sage ich.
    »Was?« Mama kapiert es nicht. »Aber er war doch vor wenigen Tagen erst da!«
    Ich habe keine Lust auf dumme Bemerkungen über Robert de Koning. Die soll sich Mama für Papa selbst aufheben.
    »Lieb, nicht?«, sage ich.
    »Ungeheuer«, sagt Mama. »Wie spät?«
    »Was: wie spät?«
    »Wie spät kommt Robert?«
    Um Mama weiterzuärgern, setze ich noch einen drauf. »Ich weiß nicht, wie spät sie kommen.«
    »Sie?« Mama erschrickt furchtbar. »Ja«, sage ich. »Renate kann erst am späten Vormittag.«
    Mama steht auf. »Wieso sagst du mir das denn nicht!« Sie knallt ihr Buch auf mein Nachtschränkchen. Ist sie wütend? Auf mich? Das wäre mal an der Zeit.
    Mama geht aus dem Zimmer, und ich kann es nicht lassen, ihr »Tschau!« hinterherzurufen.
    Was bin ich doch für ein Aas.

    Eine Erinnerung.
    Ich war zehn. Zehneinhalb. Ich sah Papa jeden Mittwochnachmittag. Ohne Renate, denn Renate hatte Angst vor mir. Papa holte mich mit dem Auto von der Schule ab.
    »Wohin fahren wir?«, fragte ich.
    »Zum Freizeitpark«, sagte Papa.
    Das klang gut. Ich hatte Lust dazu. Schön zu zweit zum Freizeitpark. Es war schade, dass Papa und Mama nicht mehr zusammen waren, denn zu dritt wäre es natürlich noch viel schöner gewesen.
    »Wir fahren zu dritt«, sagte Papa.
    Mein Herz machte einen Hüpfer.
    »Renate kommt auch mit.«
    WAS? Ich stellte mein Gesicht auf Unwetter. Diese Hexe durfte nicht mit. Ich hasste sie. Aber es half nichts. Papa holte sie irgendwo ab.
    »Grüß dich«, sagte die Hexe.
    »Hallo«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher