Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer - NR48 - Geistersturm

Der Hexer - NR48 - Geistersturm

Titel: Der Hexer - NR48 - Geistersturm
Autoren: Verschiedene
Vom Netzwerk:
vorwurfsvoll und legte ein neues Scheit in das erlöschende Kaminfeuer. Es knisterte, als die Flammen danach leckten und daran hochloderten.
    Mary sah ebenso übernächtigt aus wie ich. Auch sie machte sich Sorgen um Pri, wenngleich sie es nicht so offen zeigte.
    Zudem war sie in den vergangenen Tagen kaum von Sill el Mots Seite gewichen. Mit geradezu missionarischem Eifer bemühte sie sich, die junge Araberin an das Leben in der Großstadt zu gewöhnen; eine Aufgabe, um die ich sie nicht beneidete, ganz abgesehen davon, daß ich in letzter Zeit ohnehin kaum noch Zeit fand, mich um Sill zu kümmern. Das Mädchen war in einem ganz anderen Kulturkreis groß geworden, und in vielerlei Hinsicht befand sich Arabien noch auf einer Entwicklungsstufe, die dem europäischen Mittelalter vergleichbar war.
    London mußte für Sill eine völlig fremde und erschreckende Welt darstellen.
    »Ich habe gar nicht gemerkt, daß es schon so spät geworden ist«, entgegnete ich schwach. Ich lächelte entschuldigend und warf einen Blick zur abgrundtief häßlichen Standuhr in der Ecke des Raumes. Es war bereits nach Mitternacht. Lange nach Mitternacht.
    »Warum gehen nicht wenigstens Sie schlafen, Mary?«
    Ihre Augen funkelten amüsiert. Sie versuchte zu lächeln, doch die Erschöpfung machte eher eine Grimasse daraus. Sofort wurde sie wieder ernst.
    »Das Gleiche wollte ich Ihnen gerade vorschlagen«, sagte sie. »Aber wahrscheinlich mit größerem Recht. Sie haben schon in der vergangenen Nacht kein Auge zugemacht. Ich habe gehört, wie Sie ununterbrochen hin und hergelaufen sind. Und die Stunden, die Sie in den Nächten zuvor geschlafen haben, kann man wahrscheinlich auch an zwei Händen abzählen. Sie sahen schon wie ein zum Leben erweckter Leichnam aus, als Sie zurückkehrten.«
    Ich schwieg, was sie als Zustimmung aufzufassen schien.
    »Sie richten sich zugrunde, wenn Sie so weitermachen, Robert«, fügte sie in vorwurfsvollem Ton hinzu. »Hören Sie auf meinen Rat: Legen Sie sich für ein paar Stunden ins Bett. Sie können im Augenblick ohnehin nichts für Priscylla tun. Und wenn sich irgend etwas ergibt, wecke ich Sie. Mein Ehrenwort!«
    Ihr Blick wurde fordernd. Ich versuchte, einige Sekunden lang, ihm standzuhalten, dann mußte ich den Kopf abwenden.
    Die Sorge in Marys Stimme war echt und zeigte mir wieder einmal deutlich, daß sie weit mehr als nur eine Angestellte für mich war. Schon eher ein Ersatz für meine Mutter, die ich niemals kennengelernt hatte. Mit Ausnahme von Harvey, meinem reichlich senilen alten Butler, war sie der einzige Mensch, der es länger als ein paar Wochen in meinem Dienst ausgehalten hatte. Auf eine schwer zu beschreibende Art liebte ich sie; anders, als es bei Pri der Fall war, aber dennoch konnte man von Liebe sprechen.
    Sie war einer der ganz wenigen Menschen, denen ich bedingungslos vertrauen konnte, neben Howard und Rowlf vielleicht sogar der einzige, und sie hatte nie einen Zweifel daran gelassen, daß sie die gleiche Zuneigung auch für mich empfand.
    »Würden Sie mir noch einen Kaffee kochen?« bat ich.
    Miss Winden schüttelte entschieden den Kopf. »Das werde ich nicht tun«, sagte sie fest. »Ich habe nicht die Absicht, Ihren ratenweisen Selbstmord auch noch zu unterstützen.«
    »So schlecht ist Ihr Kaffee nun auch wieder nicht«, sagte ich lächelnd, aber Mary schien im Moment nicht in der Stimmung, auf den Scherz zu reagieren. Sie blickte mich nur böse an.
    »Hören Sie mit dem Unsinn auf und gehen Sie ins Bett, mein Junge«, antwortete sie ärgerlich. Sie sagte noch mehr, aber ich verstand ihre Worte nicht mehr.
    Es war wie ein Blitzschlag, der urplötzlich durch meinen Geist fuhr.
    Unerträgliche Hitze und Helligkeit schien mein Gehirn zu verbrennen. Die Finsternis selbst formte sich zu einem gigantischen Schatten, der mit gierigen Tentakelarmen durch meine Seele peitschte und sie mit wabernder Höllenglut erfüllte.

    * * *

    Zeit und Raum waren wie ein in sich gewundenes Band aus geflochtener Unendlichkeit, das Shadow umhüllte, aber längst nicht mehr so fest umschlang wie noch vor kurzer Zeit.
    Ihre Gedanken vermochten die Kalte Wüste zu erforschen und zu durchdringen; es gelang ihr, die Grenzen Kadaths zu überwinden.
    Robert Craven war ihrem Traumbild in dem schwarzen Onyxschloß begegnet, und er hatte die Mauern ihres Kerkers aus gestaltgewordener Ewigkeit eingerissen. Auch wenn er es nur unbewußt getan und nicht einmal gewußt hatte, daß Shadow hier war, als er die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher