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Der Hexer - NR28 - Brücke am Ende der Welt

Der Hexer - NR28 - Brücke am Ende der Welt

Titel: Der Hexer - NR28 - Brücke am Ende der Welt
Autoren: Verschiedene
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an sich selbst zu legen?«
    »Nein«, antwortete Balestrano, auch er in hörbar schärferem Ton als zuvor. »Das mußt du nicht, Bruder. So wenig, wie ich dich daran erinnern muß, warum ich dich rufen ließ.«
    Reynaud de Maizieres verstand den Tadel sehr wohl. Demütig senkte er den Blick, aber das harte Glitzern in seinen Augen blieb. Balestrano konnte sich nicht erinnern, Reynaud de Maizieres jemals anders als ernst und verbissen erlebt zu haben. Er war ein Mann, dessen Gesicht unfähig schien zu lachen. Aber er war auch einer der tapfersten und besten Männer, denen Balestrano jemals das Treuegelöbnis abgenommen hatte, auch wenn er niemals den Schritt zum Master des Templerordens tun würde.
    Balestrano hatte stets bedauert, daß Reynaud de Maizieres jegliche magische Begabung so gänzlich abging. Einen Mann seiner Geradlinigkeit und Treue hätte er im inneren Zirkel des Ordens bitter nötig gebrauchen können, vor allem jetzt, wo ihre Zahl in so kurzer Zeit so drastisch geschrumpft war. Und gleichzeitig war er beinahe froh, daß es so war. Reynaud de Maizieres als Master, mit Mächten, die die Schöpfung selbst erschüttern mochten – das war ein Gedanke, der ihm einen eisigen Schauer über den Rücken jagte.
    Er verscheuchte die Vorstellung. Es fruchtete nichts, über Dinge nachzudenken, die hätten sein können.
    »Sein Platz muß besetzt werden«, sagte er mit einer Geste auf den Toten. »Du weißt, warum ich dich rufen ließ.«
    Reynaud de Maizieres nickte. Ein sanfter Zorn glomm in seinem Blick auf. »Ja«, antwortete er. »Und es gefällt mir nicht.«
    Balestrano antwortete nicht, aber sein Blick sprach Bände. Es kam selten vor, daß jemand es wagte, ihm in solcher Offenheit zu widersprechen. Trotzdem war seine Stimme sanft und freundlich wie immer, als er fragte: »Warum nicht?«
    »Das weißt du genau, Bruder Jean«, fauchte Reynaud de Maizieres. »Es war Bruder Henris Aufgabe, Bruder de Laurec zu bewachen. Einen Verräter. Einen Mann, der sich Satan verschrieben und die Hand gegen seine eigenen Brüder erhoben hat. Einen Mann, der –
    (Wer könnte sie vergessen – die mechanischen Mordpuppen aus Band 8: »Im Bann des Puppenmachers«)
    »Der deiner Meinung nach hätte getötet werden müssen, ich weiß«, unterbrach ihn Balestrano. »Du hast es oft genug gesagt!«
    »Das habe ich«, bestätigte de Maizieres wütend. »Und ich bleibe dabei!«
    »Und das aus dem Munde eines Mannes, der noch vor Augenblicken sagte, das Leben sei heilig?« erwiderte Balestrano mit sanftem Spott.
    Reynaud de Maizieres wischte seine Worte mit einer zornigen Bewegung zur Seite. »Leben im Geiste des Herrn, ja!« sagte er wütend. »Sarim de Laurec hat sich von uns losgesagt und damit von Gott. Er hat versucht, dich zu töten. Er hat sich selbst zum Heiden gemacht! Du kannst nicht von mir verlangen, daß ich eine Kreatur bewache, die sich selbst und aus freien Stücken in Satans Fänge begeben hat!«
    Balestranos Züge verdüsterten sich, als er das Wort Kreatur aus Reynaud de Maizieres’ Mund hörte. Es war nicht das Wort allein, das ihn schaudern machte, sondern die Art, in der Reynaud es aussprach. Vielleicht war es doch gut, daß de Maizieres niemals die Macht eines Masters erringen würde, dachte der weißhaarige Führer des Templerordens.
    Aber er sprach nichts von alledem aus, sondern wandte sich mit einem verzeihenden Lächeln zur Tür, öffnete sie und winkte Reynaud de Maizieres, ihm zu folgen. »Komm mit mir, Bruder«, sagte er. »Ich werde dir etwas zeigen, von dem nur sehr wenige Menschen wissen. Nicht einmal alle meine engsten Vertrauten.«
    Reynaud de Maizieres runzelte die Stirn, beeilte sich aber gehorsam, Balestrano zu folgen und die Kammer zu verlassen – wenn auch nicht, ohne dem toten Templer hinter sich noch einen fast angeekelten Blick zuzuwerfen. Balestrano bemerkte ihn sehr wohl, tat aber auch diesmal so, als sehe er nichts.
    Wenn dies alles hier vorüber ist, dachte er, werden wir über Bruder Reynaud reden müssen. Sein Fanatismus ist gefährlich.
    Schweigend gingen sie nebeneinander her durch einen schier endlosen, nur schwach erhellten Gang; einen von zahllosen gleichförmigen Gängen, die das Pariser Templerkapitel – das gleichzeitig auch das Hauptquartier dieses geheimen Ordens darstellte – durchzogen. Wer das Gebäude von außen gesehen hätte, dem wäre nichts Außergewöhnliches daran aufgefallen; abgesehen von seiner Größe vielleicht. Es war ein riesiger Bau, reich verziert mit
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