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Der Hexer - NR27 - Todesvisionen

Der Hexer - NR27 - Todesvisionen

Titel: Der Hexer - NR27 - Todesvisionen
Autoren: Verschiedene
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furchtsam geweiteten Augen um und wagte nicht, noch weiter in diese wundersame Welt jenseits des Schneesturmes hineinzuschreiten. Der Adler flog noch bis zum Zentrum des kreisrunden Platzes, wo der niedrige, finstere Eingang einer Höhle im Fels klaffte, streckte die krallenbewehrten Fänge vor und landete auf einer Holzstange, die mit Fellen und Totemschnitzereien verziert war.
    Und im selben Moment, in dem der schwarze Adler die Flügel anlegte, erstarrte er zu einer unbeweglichen Statue. Die Flammen in seinen Augen erlosch. Mit einem Male wirkte er wie ausgestopft – und alt, uralt.
    Und Monahseetah wußte plötzlich mit einer Gewißheit, die auf nichts begründet schien, daß sie ihr Ziel erreicht hatte.
    Meile um Meile war sie gewandert, hatte Wüsten und fruchtbare Täler durchquert, Steppen und Gebirgspässe. Vor Monaten schon hatte sie ihren heimatlichen Stamm verlassen auf der Suche nach ihm.
    Und jetzt, da die Reise ihr Ende gefunden hatte, fehlte ihr der Mut, den letzten, entscheidenden Schritt zu wagen: die Begegnung mit einem Mann, der längst Legende geworden war.
    »Sei mir gegrüßt, mein Kind.«
    Die junge Squaw fuhr mit einem erschrockenen Laut herum. Vor ihr stand ein kleiner, dürrer und unglaublich alter Mann. Ein leises Lächeln spielte um seine fleischlosen Lippen, als er die Hand zum Gruße hob. Wie aus dem Nichts war er neben Monahseetah erschienen, ohne daß sie sein Kommen bemerkt hatte. Die Squaw war so sehr verblüfft, daß sie vergaß, den Gruß zu erwidern.
    Nach einer Weile senkte der Alte die knochige Hand wieder und wiegte langsam den Kopf; eine Bewegung, die unendlich mühsam erschien. »Ich wollte dich nicht erschrecken«, fuhr er mit einer Stimme fort, die gleichsam gebrechlich wie auch fest und energisch klang. »In der Einsamkeit vergißt man leicht die Gewohnheiten der Sterblichen.«
    War die Stimme auch uralt, so klangen die Worte doch freundlich und warm, und endlich erwachte Monahseetah aus ihrer Starre und senkte das Haupt vor dem Alten.
    »Du bist Mazakootemane, Schamane vom Stamm der Sioux«, flüsterte sie ehrfürchtig.
    »Ich bin es«, entgegnete der alte Zauberer. »Und du bist Monahseetah, die Enkelin von Ta-tan-ka I-yo-ta-ke, den man Sitting Bull nennt.«
    »Woher weißt du –
    Der Alte lächelte wieder. »Wäre ich Mazakootemane, wenn ich es nicht wüßte?« fragte er, und seine Stimme klang fast amüsiert. »Dein Weg zu mir war weit und beschwerlich, Monahseetah, und bist du auch eine Squaw von nur siebzehn Jahren, so hast du doch den Mut und das Herz eines Kriegers.«
    Monahseetah errötete. Dieser alte Mann sprach leichtfertig aus, was sie sich innerhalb des Stammes immer gewünscht hatte: mehr zu sein als nur eine Squaw. Als Enkel eines Magiekundigen wie Sitting Bull wäre sie eingeweiht worden in die Geheimnisse der Götter. Als Enkelin galt sie nichts, obwohl auch in ihren Adern das Blut Sitting Bulls floß.
    »Ich danke dir, Mazakootemane«, sagte sie. »Ich bin gekommen, um dir eine Bitte vorzutragen –
    »Auch das weiß ich«, unterbrach sie der Schamane. »Doch gehen wir in meine Höhle, um zu sprechen. In meinem Alter wird es schwer, einen Naturzauber lange Zeit aufrechtzuerhalten, und ich spüre, wie der Schnee sein Gebiet zurückfordert.« Er deutete erst auf die unsichtbare Wand, hinter der das Toben und Wirbeln der weißen Flocken noch zugenommen hatte, dann auf den niederen Eingang zu seiner Unterkunft und setzte sich mit schwerfälligen Schritten in Bewegung.
    Monahseetah folgte ihm in respektvollem Abstand, als der uralte Magier die Höhle betrat. Niemand wußte, wie alt Mazakootemane wirklich war, doch die Überlieferungen sprachen von über fünfhundert Sommern. Es mochte Legende sein, natürlich, aber in diesem Augenblick zweifelte die junge Squaw kaum mehr daran.
    In der Höhle war es finster wie in einer Gruft; nur die Glut eines niedergebrannten Holzfeuers erhellte eine Ecke des kleinen Raumes. Mazakootemane trat langsam auf die glimmenden Scheite zu, legte Holz nach und murmelte ein einziges, unheimlich klingendes Wort. Sofort loderte die Flamme hoch und riß den Raum aus der Dunkelheit.
    Er war nur spartanisch eingerichtet: ein Lager aus gewebten Decken und Büffelhaut, vier, fünf Krüge mit Wasser und einem merkwürdigen weißen Pulver, zwei grobe Matten auf dem steinigen Boden. Doch was der Einrichtung an Reichtum fehlte, besaßen die Wände im Übermaß. In Rot, Schwarz und Blau, den Farben des Feuers, der Erde und des Wassers,
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