Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer - NR06 - Labyrinth der weinenden Schatten

Der Hexer - NR06 - Labyrinth der weinenden Schatten

Titel: Der Hexer - NR06 - Labyrinth der weinenden Schatten
Autoren: Verschiedene
Vom Netzwerk:
an sich und preßte ihn an die Brust wie einen Schatz.
    »Ich habe hineingesehen«, sagte ich leise.
    »Und?« Howards Stimme klang störrisch. »Ich habe einen falschen Paß. Überrascht dich das? Willst du mich jetzt bei der Polizei anzeigen?« Das Lachen, mit dem er diese Worte hervorbrachte, klang unecht und nervös. »Unten in meinem Koffer liegen noch drei oder vier. Es gibt manchmal Situationen, in denen es von Vorteil ist, unter einem anderen Namen zu reisen.«
    »Auch als ein Mann, der noch gar nicht geboren ist?« fragte ich ruhig.
    Diesmal dauerte es lange, bis Howard antwortete. Eine Weile blickte er mich nur an, aber der Zorn, den ich erwartete, kam nicht. In seinem Blick stand eher ein Ausdruck von Trauer. Vielleicht Bestürzung.
    Und Enttäuschung. Schließlich klappte er den Paß auf, legte ihn aufgeschlagen vor sich auf den Tisch und zog auch den anderen aus der Hosentasche hervor, um ihn daneben zu legen. »Ich könnte jetzt sagen, daß... es sich dabei um einen Fehler handelt«, sagte er. »Ein Irrtum, den der Fälscher begangen hat.«
    »Das könntest du«, bestätigte ich.
    Howards Blick flackerte. »Aber du würdest mir nicht glauben.«
    »Nein«, antwortete ich. »Das würde ich nicht, Howard. Welcher von diesen beiden Pässen ist echt?« Ich beugte mich und berührte den zweiten Paß, den mit dem unmöglichen Geburtsdatum. Howards Hand zuckte in einer erschrockenen Bewegung vor, als wolle er mir das Dokument entreißen. Aber er führte die Bewegung nicht zu Ende.
    »Das ist der Echte«, behauptete ich. »Aber damit kannst du dich schlecht in irgendein Amt wagen, nicht wahr? Nicht als ein Mann, der erst in fünf Jahren geboren wird.«
    »Und wenn es so wäre?« murmelte Howard.
    »Wer bist du?« fragte ich. Ich gab mir Mühe, ruhig zu sprechen, aber ich hörte selbst, wie verzerrt und fremd meine Stimme klang. »Wer bist du, Howard?«
    Eine endlose Sekunde lang hielt er meinem Blick stand, dann senkte er den Kopf, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und fuhr sich mit einem erschöpften Seufzer über Kinn und Mund. Ich hatte ihn nie so verwirrt und aus der Fassung gebracht wie in diesem Moment. Aber er schwieg.
    »Ich hätte es wissen müssen«, murmelte ich, als Howard auch nach einer Weile keine Anstalten machte, auf meine Frage zu antworten oder in irgendeiner Art zu reagieren. »Ich war ein Narr, Howard. Und du hast mich genauso behandelt, wie ich es verdient habe. Wie einen Trottel.«
    »Unsinn«, murmelte Howard.
    »Nein, das ist ganz und gar kein Unsinn. Die Beweise waren deutlich genug. Erinnerst du dich an unser Zusammentreffen mit Lyssa?«
    Howard antwortete nicht, aber das war auch nicht nötig. Keiner von uns hatte die Szene vergessen. Auch nicht die Worte, die Howard zu der Hexe gesagt hatte, die von Priscyllas Körper Besitz ergriffen hatte.
    »Du hast dich nicht verändert, seit Salem«, zitierte ich seine Worte aus dem Gedächtnis. »Salem, Howard. Damals hielt ich es für Rhetorik, eine reine Redewendung. Aber es war genau das, was du gesagt hast. Du hast diese Frau in Salem getroffen. In einer Stadt, die vor zweihundert Jahren zerstört wurde!« Plötzlich wurde meine Stimme lauter; ich schrie beinahe, obwohl ich es nicht wollte. Aber die Erregung übermannte mich einfach.
    »Du bist nichts als ein Freund meines Vaters, wie? Sonst nichts. Nur ein –«
    »Ich bin ein ganz normaler Mensch«, unterbrach mich Howard. Seine Stimme war plötzlich ganz ruhig, bar jeden Gefühles oder jeder Regung. Sie klang eisig.
    Mit einer abrupten Bewegung stand er auf, nahm seine Jacke von der Stuhllehne und steckte die beiden Pässe in die Innentasche. Sie rutschten durch das Innenfutter und fielen wieder heraus. Howard preßte wütend die Lippen aufeinander, bückte sich und stieß sich den Schädel an der Schreibtischkante, als er sich wieder aufrichtete.
    »Es reicht wirklich, Robert«, sagte er gepreßt. »Ich habe mich deiner angenommen, als du damals hierher gekommen bist, obwohl wir uns nie zuvor gesehen haben. Ich habe es getan, weil dein Vater und ich Freunde waren, und ich habe gedacht, daß wir vielleicht auch einmal Freunde werden würden.« Er lachte bitter. »Eine Weile habe ich wirklich geglaubt, daß es so wäre. Ich dachte, ich hätte meinen Freund Roderick wiedergefunden, in dir. Aber ich habe mich getäuscht.«
    »Bitte, Howard«, sagte ich. »Du weißt genau –«
    Howard schnitt mir mit einer wütenden Bewegung das Wort ab und schlüpfte in seine Jacke. »Nichts weiß ich«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher