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Der Hexenschwur: Roman (German Edition)

Der Hexenschwur: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
Autoren: Deana Zinßmeister
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im Land an der Saar
    Johann trat aus der Hintertür des Wohngebäudes und schnaufte heftig ein und aus, um die Lunge mit frischer Luft zu füllen. Mit sorgenvoller Miene kratzte er sich über sein kantiges Gesicht und ging auf das Fuhrwerk zu, das inmitten des Hofs abgestellt war, um sich anzulehnen. Plötzlich spürte er einen stechenden Schmerz hinter der Stirn. Er rieb sich mit der linken Hand mehrmals die Schläfen. Johann versuchte sich zu entspannen, doch er konnte das totenbleiche Gesicht der sterbenden Frau, die nur noch ein Schatten ihrer selbst war, nicht aus seinem Kopf vertreiben. Auch an diesem Morgen hatte er bestürzt zusehen müssen, wie sich Regina Rehmringers Zustand weiter verschlechterte. Johann ahnte, dass das Leben der Frau zu Ende ging, die vor vielen Jahren ihn, sein Weib Franziska und seine damaligen Weggefährten selbstlos bei sich aufgenommen hatte. Dank ihrer Hilfe hatten sie in der Fremde ein neues Zuhause gefunden.
    Der Kopfschmerz ließ nach, und Johann verschränkte mit einem tiefen Seufzer die Arme vor der Brust. Gedankenverloren starrte er auf die Hühner, die im Misthaufen scharrten.
    »Unglaublich«, flüsterte er. »Siebzehn Jahre ist es her, seit wir unsere Heimat, das Eichsfeld, verlassen und hier ein neues Leben begonnen haben.«
    • •
    Es war im Jahr des Herrn 1617 gewesen, als das Schicksal einige Menschen zusammenbrachte, die alle auf der Flucht waren. Einer von ihnen war Johann, der mit seiner geliebten Franziska dem tyrannischen Vater entfliehen musste, weil der ihre Heirat verhindern wollte. Der Großbauer verfolgte die beiden quer durchs Reich und fand sie im Land an der Saar. Getrieben von Hass versuchte er Franziska und ihre kleine Tochter zu töten. Beide wurden gerettet, den Großbauern traf der Schlag.
    Auch Clemens war zu dieser Zeit auf der Flucht gewesen. Er wurde vom Ehemann seiner Schwester verfolgt, der vor einem Mordanschlag nicht zurückschreckte. Als man in der abgebrannten Scheune eine verkohlte Leiche fand, glaubte man, dass Clemens der Tote war; doch ihn hatte ein Mönch gerettet und versteckt. Um seine Schwester zu schützen, ließ Clemens sie in dem Glauben, er sei tot. Auf seiner Flucht begegnete Clemens Johann und Franziska und schloss sich ihnen an. Er war ein mürrischer Wegbegleiter, denn das Feuer hatte sein Gesicht mit hässlichen Brandnarben entstellt, sodass er glaubte, auf andere abschreckend zu wirken. Doch dann begegnete er in Wellingen Christel, der Tochter des damaligen Amtmanns …
    • •
    »Nun sind sie scheinbar schon eine Ewigkeit verheiratet«, murmelte Johann, als er vor dem Haus Stimmen hörte. Eine Frau, die in eine schwarze Nonnentracht gekleidet war, kam um die Häuserecke. »Hier steckst du«, sagte sie und umarmte ihn.
    »Sei gegrüßt, Maria«, flüsterte Johann und drückte sein Gesicht an ihre Haube. »Schön, dass du sofort gekommen bist.«
    »Das bin ich ihr schuldig«, erwiderte die Frau und blickte Johann aus schwarzen Augen traurig an.
    Johann zog leise die Tür des Schlafzimmers zu. Während Maria seine Tochter Magdalena umarmte, die stumm am Bett der Sterbenden saß, blieb er abseits stehen. Müde fuhr er sich über die buschigen Augenbrauen. Er wollte sich den Anblick der kranken Frau ersparen, von dem er wusste, dass er ihn nicht ändern konnte.
    Maria trat näher an das Bett heran. Bestürzt blickte sie in das bleiche Gesicht von Regina Rehmringer, die abgemagert daniederlag und ihre Umgebung kaum noch wahrnahm. Maria kämpfte mit den Tränen. Zwar ahnte sie seit ihrem letzten Besuch zwei Wochen zuvor, dass die Frau schon bald vor ihren Schöpfer treten würde, doch sie so daniederliegen zu sehen versetzte ihrem Herzen einen Stich.
    Maria atmete tief ein und rümpfte dabei leicht die Nase. Sie glaubte bereits den Geruch des Todes wahrzunehmen. Allein der Gedanke daran erschwerte ihr das Durchatmen. Maria schaute Magdalena bewundernd an, die seit Tagen bei der alten Frau wachte und sie kaum allein ließ. Die Sechzehnjährige schien gegen den Geruch, die Düsternis und das Elend unempfindlich zu sein. Sie saß da und beobachtete mit einem zärtlichen Lächeln den Schlaf der Frau.
    Frische Luft, dachte die Nonne und blickte zu dem Fenster, das mit dicht gewobenem Stoff zugehängt war und das Tageslicht wegsperrte. War der Vorhang schon immer so verschlissen?, überlegte Maria kurz. Der schwache Schein der Talglampen spendete kaum Helligkeit, sodass die Misslichkeit, in der sich das Haus befand, im Schatten
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