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Der Hexenschwur: Roman (German Edition)

Der Hexenschwur: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
Autoren: Deana Zinßmeister
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würde mir nie verzeihen, wenn ich an ihrem Grab stehen müsste, nur weil ich mit der Rückkehr gezögert habe.« Er fuhr sich mit beiden Händen durch das dunkelblonde Haar, das an den Schläfen bereits grau wurde. »Ich war neunzehn, als ich sie verlassen habe. Nun bin ich fast doppelt so alt. Wie lang soll ich noch warten?«
    Maria konnte seine Gründe nachvollziehen. Unglücklich schloss sie die Augen und presste die zitternden Lippen aufeinander. Dieses Mal hielt sie die Tränen nicht zurück. Als sie über ihre Wangen liefen, legte sie Regina Rehmringers Hand auf das Betttuch und zog ein Taschentuch aus dem Ärmel ihrer schwarzen Nonnentracht. Nachdem sie sich die Tränen weggewischt hatte, fragte sie: »Weiß Franziska von deinen Plänen?«
    Johann schüttelte den Kopf, und sein Blick verriet seine Ängste.
    Erstaunt weiteten sich Marias Augen. »Deine Frau wird nicht mit dir gehen wollen.«
    »Ich weiß«, sagte Johann leise und räusperte sich. »Aber sie hat keine andere Wahl.«
    »Bist du sicher?«
    »Nein«, sagte er mit schwacher Stimme.

• Kapitel 2 •
    Die Kellerassel kam langsam aus dem Mauerloch hervorgekrochen und krabbelte geschwind mit ihren spinnendünnen Beinen über den Lehmboden. Plötzlich sauste eine Hand auf sie hernieder und zerquetschte sie.
    Das Kind hob vorsichtig die Hand und spähte auf den Boden darunter. Als es die tote Kellerassel sah, quiekte es vor Freude. Mit den Fingerspitzen nahm das Kind das plattgedrückte Tier und hielt es sich dicht vor die trüben Augen. Brabbelnd betrachtete es die kleine Beute. Dann steckte es das Ungeziefer in den Mund und schluckte es.
    Das Kind schaute sich sofort nach dem nächsten Opfer um, das nicht lange auf sich warten ließ. Immer wieder schlug das Händchen auf den Boden. Doch die kleinen Tiere stillten den Hunger des Kindes nicht. Als keine Kellerassel mehr aus dem Loch zwischen Mauersteinen gekrochen kam, fing das Kind an zu schreien. Es riss sich zornig an den Haaren und brüllte aus Leibeskräften. Erst als es hörte, wie sich ein Schlüssel knarrend im Schloss der Tür oberhalb der Treppe umdrehte, verstummte es und blickte mit tränennassem Blick die Stufen hinauf.
    Kaum hörte es die Schritte, kroch es auf allen vieren in eine Ecke des Raums und presste sein Gesichtchen gegen die kalte Mauer.

• Kapitel 3 •
    Auf dem Eichsfeld
    »Schon in den frühen Stunden des Tages habe ich neun Ratten in meinem Keller totgeschlagen«, erzählte die Bäuerin Josefine den Frauen, die mit ihr am Bach Wäsche wuschen. Obwohl sie am seichten Ufer standen, waren ihre Röcke bis zu den Knien mit Wasser vollgesogen und klebten ihnen an den Waden. Die klirrende Kälte des Morgens hatte ihre nackten Füße und Hände gefühllos gemacht und gerötet. Das eisige Wasser brannte in den feinen Wunden ihrer Haut, die an den Fingerkuppen vom Scheuern der Wäsche aufgeplatzt war.
    »Es ist in dieser Jahreszeit nichts Ungewöhnliches, Ratten im Keller zu haben. Besonders im Winter zieht sich das Ungeziefer in die Häuser zurück«, mischte sich Grete, eine grauhaarige Frau, in das Gespräch ein und presste ihre Hände zwischen die Oberschenkel, damit sie warm wurden.
    »Der aufkommende Winter allein ist nicht schuld daran«, widersprach Josefine und dämpfte ihre Stimme. »Sie hat uns das eingebrockt«, erklärte die Bäuerin und schaute vorsichtig zu dem Hof hinüber, der am Ortsrand stand. Die Blicke der drei anderen Frauen folgten dem ihren.
    »Meinst du wirklich, dass es damit zusammenhängt?«, wisperte Helene, eine junge Frau, die sich wegen ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft kaum bücken konnte.
    »Erinnert ihr euch nicht mehr, wie die alte Hebamme den Hexenschwur hinausgeschrien hat, bevor die Flammen über ihr zusammenschlugen?«, fragte Josefine gereizt und schleuderte das Leinen gegen die flache Seite eines großen Steins.
    Tine, eine kräftige Frau, die erst vor Kurzem zugezogen war, nachdem sie einen Witwer des Dorfes geheiratet hatte, hielt im Waschen inne und steckte ihre feuerroten Hände unter die Achseln. Bibbernd stand sie da und schaute auf den Berg Wäsche, den sie noch waschen musste. »Wie konnte ich einen Mann mit sechs Kindern heiraten?«, murmelte sie und hob einen der zahlreichen Kittel auf. »Welcher Hexenschwur?«, fragte sie dann, während sie die Kleidung einseifte.
    Die Bauersfrau hielt in der Arbeit inne und antwortete: »Es ist vier oder fünf Jahre her, da wurde eine Hebamme aus dem Nachbarort zum Tod auf dem
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