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Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel
Autoren: Catherine Coulter
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es ihm leichter. Ihr Zustand war bedauernswert. Er weigerte sich, etwas anderes zu sehen, als ihren zerschundenen Rücken und ihren Schmutz. Sie war eine kranke und hilflose Sklavin, nichts anderes.
    Er wusch ihr auch das Haar, seifte es dreimal ein, spülte es zweimal und versuchte, es mit den Fingern zu entwirren. Eine langwierige Prozedur.
    »Morgen wasche ich dich nochmal. Mit einem Mal ist der Dreck nicht wegzukriegen«, sagte er und drehte sie behutsam auf den Rücken. »Jetzt wasche ich dich vorne.« Er wünschte, er hätte sie nicht umgedreht.
    Sie hielt die Augen geschlossen, ihr Gesicht war bleich und abgezehrt, vor Erschöpfung und vermutlich auch vor Schmerz. Ihre Rippen stachen spitz hervor, die Hüftknochen nicht weniger. Aber er sah auch wohlgeformte Brüste, die nicht zu dem kindlich mageren Körper paßten. Sie hielt die Augen geschlossen, auch nachdem er ihr das Gesicht gewaschen hatte. Als sein eingeseifter Lappen über ihre Brüste glitt, ballte sie die Fäuste. Ihren Bauch und ihre Weiblichkeit wusch er mit geschlossenen Augen. Und er beeilte sich, nicht nur weil er fürchtete, das Fieber könne wieder einsetzen. Die Nachtluft war kühl.
    »Die Skalden werden wunderbare Lieder über mich singen«, brummte er, während seine Hand zwischen ihre Schenkel glitt und sie einseifte. »Ich bin ein Mann mit der Selbstbeherrschung eines christlichen Mönchs und der Ehre eines Wikinger-Kriegers; eine Mischung, die ebenso große Schmerzen verursacht wie dein wunder Rücken.«
    Sie öffnete die Augen. »Wer bist du? Warum bist du gut zu Taby und mir? Was willst du von uns? Hast du vor, mich deinen Männern oder einem Freund zu geben, um etwas zu erreichen? Thrasco plante, mich der Schwester des Prinzen von Kiew zu schenken, die eine Vorliebe für Knaben hat. Was ist dein Plan?«
    »Um das herauszufinden, mußt du erst gesund werden«, antwortete er gelassen, trocknete sie eilig ab, deckte sie noch eiliger zu und zog ihr die dicke Wolldecke bis zum Kinn. »Tut es sehr weh, wenn du auf dem Rücken liegst?«
    »Ja.«
    Er half ihr, sich auf den Bauch zu drehen. Erneut betupfte er ihre Wunden mit warmem Wasser, dann legte er saubere Leinenlappen darüber und breitete die Decke über sie. Ihr Haar war kurz, lockig und sehr zerzaust.
    »Welche Haarfarbe hast du?«
    »Rot.«
    Auf den Fersen hockend blickte er finster auf ihren Hinterkopf. Sie hatte nur ein Wort gesprochen, doch das mit solchem Hochmut, als käme es aus königlichem Mund. »Hier drin ist es zu dunkel. Und vorher war dein Haar so verdreckt, daß es auch hätte grün sein können. Rote Haare! Unsere Frauen zu Hause haben keine roten Haare.«
    »Denkst du, das interessiert mich, Wikinger?«
    Er grinste. »Eine zu aufdringliche Haarfarbe für eine Frau, irgendwie gewöhnlich. Nein, die Farbe gefällt mir nicht. Woher weißt du, daß ich Wikinger bin?«
    »Du kommst aus Norwegen. Hast du so wenig Verstand, daß du dich nicht daran erinnerst, was du vor kurzem gesagt hast? Außerdem hast du blonde Haare und blaue Augen. Du bist größer als die Männer, die ich in anderen Ländern gesehen habe. Alle Wikinger sind groß und sehen einander ähnlich. Du siehst aus wie alle Männer aus deinem Land. Du bist gewöhnlich.«
    Er lachte. »Und woher kommst du? Haben bei dir zu Hause alle Frauen rote Haare?«
    »Nein.« »Das dachte ich mir. Und vermutlich haben auch nicht alle Frauen in deiner Heimat solch weiße Haut, die aussieht wie frisch gefallener Schnee in Vestfold.«
    »Nein, aber einige schon, wenn man genau hinsieht. Doch das tun Wikinger nicht. Euch geht es nur ums Brandschatzen, Morden und Plündern.«
    Den letzten Teil ihrer Rede überhörte er geflissentlich. »Du bist also auch in deiner Heimat etwas Besonderes. Das dachte ich mir. Rote Haare und weiße Haut. Ich wette, darauf liegt der Fluch der Christen, eine Strafe Gottes.«
    »Mich hat weder ein Gott noch ein Dämon verflucht«, entgegnete sie. In ihrer Stimme lagen Schmerz und Erschöpfung — und noch etwas: verhaltener, tiefsitzender Zorn, der sie wohl den Rest ihres Lebens begleiten würde.
    Sein Gesicht verfinsterte sich. Er fragte ohne Spott in der Stimme: »Willst du noch etwas Brot?«
    »Nein, aber Taby hat immer Hunger. Er ißt bestimmt noch etwas.«
    »Cleve kümmert sich um den Kleinen. Er und Oleg stopfen ihn mit Essen voll, bis er sich nicht mehr rühren kann. Keine Sorge. Es ist genug Essen für euch beide da. Ihr werdet nicht verhungern.«
    »Willst du ihn verkaufen?«
    »Ich glaube
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