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Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schulter. Die alte Frau schien unverletzt. Sie drehte ihr das Gesicht zu, ein uraltes, tränenverschmiertes Gesicht.
    »Ich hab' alles«, sagte die alte Frau mit dem Versuch eines Lächelns. »Alles hab' ich noch, was wichtig ist. Meine Heiratspapiere … Und auch das Sparbuch … Ja, alles … Und Heinrichs Briefe … Alles, da drin …«
    Do nickte.
    »Es mußte ja so kommen«, sagte die alte Frau, »finden Sie nicht? Ich wußte schon immer, daß hier irgend so was passieren würde. Na ja, jetzt ist es auch mit Schönberg vorbei … Und wer sind Sie? Sie gehören nicht hierher …«
    »Nein«, sagte Do. »Ich gehöre nicht hierher. Ich wollte meine Tochter holen.«
    »Und die ist hier?«
    »Ja. Kati Folkert. Kennen Sie sie?«
    »Die kleine Kati? – Die war aber nur ein paar Tage in Schönberg.«
    Do sah über die Trümmerlandschaft, die abgeknickten Bäume, die zerborstenen Mauern, das Chaos von Zerstörung, Menschen und Polizisten hinweg und benötigte alle Kraft, um die nächste Frage zu stellen: »Ich habe solche Angst. Bitte, sagen Sie mir, wo sie ist – bitte!«
    Die alte Frau lächelte. »Sie müssen keine Angst haben … Sie ist fort. Sie ist schon vorher weg, bevor es passierte. Gestern …«
    »Und wohin?«
    »Ich weiß nicht … Ich glaube, in die Schweiz. Mit dem Hubschrauber …«
    Es war beinahe zuviel.
    Aber da sagte Paula Jakuschek noch etwas. »Sie müssen keine Angst haben. Robert ist bei ihr.«
    »Wer ist Robert?«
    »Robert Tennhaff. Und das ist ein guter, ein sehr guter Mensch … Er wird sie schützen. Haben Sie keine Angst …«
    Wie die nächsten zwei Stunden vergingen, wußte Do nicht. Sie flossen vorüber, ohne irgendeine Gestalt anzunehmen. Sie wußte nur eines: Sie mußte diese Stunden vergessen, verdrängen, so wie sie so vieles vergessen und verdrängt hatte. Doch nie war es so schlimm gewesen.
    Sie hatte den Frontera nah ans Schloß gefahren. Tommi schwirrte irgendwo auf dem Gelände herum und schoß seine Bilder. Do aber saß da, die Hände im Schoß, saß da und betete. Sie hatte versucht, Jan zu erreichen, es hatte über die Funktelefone auch geklappt. Er hatte die Nachrichten gehört, sich ein Taxi besorgt und war auf der Fahrt nach Schönberg.
    Do rauchte eine Zigarette nach der anderen. Schließlich ertrug sie es nicht länger und stieg aus. Ein Verbandsplatz war errichtet worden, Rettungshubschrauber pendelten hin und her. Neben einem Polizeifahrzeug mit einer hohen Funkantenne entdeckte sie Heininger.
    Er kam auf sie zu. »Gut, daß ich Sie sehe. Ich wollte Sie jetzt suchen. Gerade habe ich erfahren, daß nicht nur hier, sondern auch in der GW-Zentrale in Cannero der Teufel los ist. Aber Ihre Tochter ist in Sicherheit. Kati sitzt mit einem Mann namens Tennhaff in einer italienischen Präfektur. Ich glaube, Intra heißt der Ort … Ja, Intra, am Lago Maggiore …«
    Sie wollte auf ihn zugehen, wollte ihm die Hände auf die Schultern legen. Sie konnte nicht. Sie brach zusammen …
    Das Haus, ein von den Stürmen mitgenommener Bau aus den dreißiger Jahren, lag auf einem Felsvorsprung. Von den Fenstern an der Frontseite sah man das Meer bis zum Horizont. Das Unglaublichste waren die Farben: alle Blau- und Türkis-Schattierungen bis hin zu tiefem Tintenblau.
    Die Tage schienen sich einer im anderen aufzulösen … Bei ihrer Flucht aus München hatte Do ihre Uhr vergessen, und so verlief die Zeit fast ohne Orientierung. War es nun Mittwoch, war es Montag? Einmal in der Woche fuhr sie in das kleine Postamt nach La Caleta hinüber, um die Faxe und das Material zu holen, das Tommi ihr zusandte. Das war Montag. Sonst aber …
    Jan hatte unbezahlten Urlaub genommen. Gleich nachdem alle Zeitungen und das Fernsehen sich mit ihren Meldungen über das ›Sekten-Inferno Schönberg‹ überschlugen, nach der Nacht, in der sie zusammen im Hauptbahnhof von München eine offensichtlich unversehrte, wenn auch erschöpfte Kati an der Seite eines großen schweigsamen Mannes mit verklebter Nase abgeholt hatten, waren sie abgeflogen. Es hätte auch die Karibik sein können, aber es wurde Teneriffa, weil dorthin der nächste Flug ging. Tennhaff wurde von der Polizei in München zurückbehalten. Er wurde für die Verhöre und die erste Beweisaufnahme dringend benötigt.
    »Könnt ihr das begreifen?« sagte Kati, als sie im Flugzeug saßen. »Jetzt kenne ich den Mann kaum länger als eine Woche, aber wie ich eine weitere Woche ohne ihn durchstehen soll, kann ich mir nicht mal vorstellen …«
    Die
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