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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe
Autoren: Ralf Isau
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kopfunter zur Schau an einem Gerüst auf der Piazza Loretto auf. Ein jämmerliches Ende, wenn man bedenkt, dass er einmal im Augustus-Mausoleum beigesetzt werden wollte.
    Lange habe ich geglaubt, mich nach einem solchen »Erfolg«
    wie ein Held fühlen zu können – und viele halten uns bis heute für solche –, aber eher das Gegenteil ist der Fall. Jetzt kann ich verstehen, Nico, warum du der Rache abgeschworen hattest.
    Nachdem der Blutdurst abgeklungen ist, fühlt man sich hohl und leer. Die Vendetta ist nicht der Weg von Gerechtigkeit und Freiheit, das ist mir heute klar.
    Mir kam zu Ohren, dass Don Massimiliano auch den Lohn für seine Niedertracht bekommen hat. Hoffentlich fühlst du dich jetzt besser als ich. Hast du Laura gefunden? Wenn ja – und das ist kein Scherz –, wünsche ich euch alles Glück der Welt.
    Solltet ihr mal nach Giulino di Mezzegra kommen, dann schau doch einfach bei mir herein. Ich habe an dir viel gutzumachen.

    In Freundschaft,
    Bruno, der Späher vom Forte Sangallo
    502
    Massimiliano Manzini blieb das Aufhängen an den Füßen erspart.
    Er soll von seiner Frau in einem anonymen Grab beigesetzt worden sein. Die Zeugenaussage von Uberto Dell’Uomo verschwand in einem Karton, wo sie wohl bis heute liegt. Offiziell wurde der Mörder des sozialistischen Oppositionspolitikers Giacomo Matteotti nie gefunden.
    Genovefa verkaufte nach Kriegsende ihr Erbe und versuchte für ihren Mann Sühne zu leisten. Sie machte viele der von ihm Verratenen und Geschädigten ausfindig und zahlte ihnen oder den Hinterbliebenen mehr als nur dreißig Silberlinge zurück. Einige Jahre nach Kriegsende verschwand sie – wohl in der Einsicht, dass manche Schuld mit Geld nicht zu sühnen war – sang- und klanglos aus der Stadt. Bald geriet die kühle Schönheit in Verges-senheit; irgendwie hatte sie nie so richtig hierher gehört.
    Mancher unter den Wegbegleitern jener Tage verwandelte sich nach dem Ende des Terrors auf ganz andere Weise. Der Rabbiner Israel Zolli nahm aus Dankbarkeit für das Eingreifen des Papstes dessen Taufnamen Eugenio an und konvertierte zum römisch-katholischen Glauben. Zolli überlebte das Kriegsende um elf Jahre und starb just an dem Tag, an dem der Chronist dieser Geschichte geboren wurde. Lorenzo Di Marco dagegen verließ nicht nur die Città del Vaticano, sondern auch die katholische Kirche. Von Diplomatie und Dogmen hatte er genug. Hinfort suchte er im unverfälschten Wort Gottes die Erleuchtung und widmete in der Ge-meinschaft Gleichgesinnter sein restliches Leben urchristlichen Idealen. Mit einem Freund, für den er lange in den Vatikanischen Archiven Nachforschungen betrieben hatte, siedelte er 1958 nach New York City um und erreichte in der Neuen Welt ein biblisches Alter.
    Von Vittorio Abbado ist bekannt, dass er im nach-faschis-
    tischen Italien ein von dunklen Elementen gefürchteter Staatsanwalt wurde, der vor allem der Mafia hart zusetzte, bis diese ihn durch ein Attentat aus dem Weg räumte. Besser erging es Donatello, dem alten Leibdiener von Baron Alberto Fassini Camossi. Gemeinsam mit Emma Pallotta verlebte er noch vierzehn 503
    glückliche Jahre in Rocca di Papa und starb eines natürlichen Todes.
    Natürlich darf diese Geschichte nicht enden, ohne nach dem Verbleib von Nico und Laura dei Rossi zu fragen. Obwohl sich ihre Spur Ende der vierziger Jahre verliert, gibt es Grund zur An-nahme, dass auch sie den Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts im Kreise von drei Söhnen, zwei Töchtern und einer nicht mehr festzustellenden Anzahl von Enkeln erlebt haben.
    Anfang der fünfziger tauchte nämlich im schweizerischen
    Luzern ein Uhrmachermeister auf, der in seiner Werkstatt ein außergewöhnliches Kleinod seiner Kunst ausstellte. Niemand konnte sich dem Zauber der prachtvollen Verzierungen dieser goldenen Uhr entziehen. Auf dem Deckel war zum Beispiel ein Pfau zu sehen, der ein Rad schlug; Rubine funkelten in den Augen des Vogels und Smaragde auf dem Außenrand des Federkreises.
    Fast schon kurios ist allerdings, dass diese an sich vollkommene Uhr nur einen einzigen Zeiger besaß.
    Abergläubische Naturen sagten dem Luzerner Meister gera-
    dezu magische Fähigkeiten nach. Er schuf eine Reihe einzigartiger Kunstwerke, die auf eine danach nie mehr erreichte Weise mit ihren Besitzern verbunden waren. Die Legende geht um, er habe sogar eine Uhr gebaut, die nur die glücklichen Stunden ihres Eigners zählte. Wie dem auch sei, die kleine, aber feine Uh-renschmiede dieses
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