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Der Herr der Lüfte

Der Herr der Lüfte

Titel: Der Herr der Lüfte
Autoren: Michael Moorcock
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hatte. Er erfüllte mich mit einer Art tiefen Vorahnung, als befände ich mich in der Anwesenheit von Gegenständen, die überhaupt nicht von menschlicher. Hand geschaffen waren.
    Allmählich tauchten aus allen Türen Priester in safranfarbenen Gewändern auf und blieben stocksteif stehen, um uns von Treppen und Laufgängen des Gebäudes, welches Tempel oder Palast oder beides darstellte, zu beobachten.
    Diese Priester sahen ein wenig anders aus als die Krieger, die wir vorher gesehen hatten, doch sie waren gewiß nicht reinlicher. Es kam mir in den Sinn, daß die Kumbalari, die das Land schon nicht mochten, das Wasser verabscheuen mußten. Ich erzählte diesen Einfall Risaldar Jenab Shah weiter, der seinen großen, mit einem Turban bekleideten Kopf zurückwarf und herzlich lachte - ein Verhalten, auf das die Priester mit haßerfüllten und verächtlichen Blicken reagierten. Diese Priester waren nicht kahlrasiert wie die meisten anderen Priester in safrangelben Roben. Das Haar hing ihnen lang in vielen fettigen Zöpfen ins Gesicht, und einige trugen Schnauz- oder Vollbärte, die ähnlich geflochten waren. Es war ein finsterer, widerwärtiger Haufen. Nicht wenige hatten sich Gürtel oder Schärpen um den Leib geschlungen, in denen scharfe Dolche und Schwerter steckten.
    Sie warteten und beobachteten uns. Wir erwiderten ihre Blicke und versuchten, weniger sorgenvoll zu erscheinen, als wir es in Wirklichkeit waren. Unsere Pferde waren unruhig unter uns, warfen die Mähnen zurück und schnaubten, als sei der Gestank der Stadt selbst ihnen zuviel.
    Dann schließlich tauchte die goldene Sänfte, von vier Priestern getragen, aus dem, wie es schien, Haupteingang auf. Die Vorhänge wurden zur Seite geschoben, und da saß Sharan Kang.
    Er grinste.
    »Hier bin ich, Sharan Kang«, begann ich, »um alles anzuhören, was Sie mir über Ihre Überfälle auf unsere Grenzstationen sagen wollen und um die Bedingungen für einen Vertrag auszuhandeln, nach dem wir in Frieden zusammenleben können.«
    Sharan Kangs Grinsen wurde nicht schwächer, was wahrscheinlich nicht für meine Stimme galt, als ich in dieses runzlige, böse Gesicht sah. Niemals zuvor hatte ich je das sichere Gefühl gehabt, mich in Gegenwart des absolut Bösen zu befinden, in diesem Augenblick aber wohl.
    Nach einer kurzen Pause ergriff er das Wort. »Ich höre Ihre Worte und muß darüber nachdenken. In der Zwischenzeit werden Sie hier Gäste« - er deutete hinter sich - »im Tempel des Kommenden Buddha sein, der zugleich mein Palast ist. Das älteste all dieser alten Gebäude.«
    Ein wenig nervös stiegen wir vom Pferd. Die vier Priester hoben Sharan Kangs Sänfte an und trugen sie in das Gebäude zurück. Wir folgten ihnen. Im Innern hing dick der Duft von Räucherwerk, es herrschte das unzureichende, flackernde Licht von Öllampen, die an Ketten von der Decke herabhingen. Hier war nirgendwo eine Abbildung des Buddha zu sehen, doch ich hielt das für normal, da der ›Kommende Buddha‹ noch nicht geboren war. Wir folgten der Sänfte durch ein labyrinthartig verzweigtes Netz von Gängen, bis wir in einen kleinen Raum gelangten, in dem auf einen niedrigen Tisch, umgeben von Sitzkissen, Speisen aufgestellt waren. Hier wurde die Sänfte zu Boden gesenkt, die Priester zogen sich zurück, offensichtlich, um uns mit Sharan Kang allein zu lassen. Er lud uns mit einer fordernden Handbewegung ein, auf den Kissen Platz zu nehmen, was wir dann auch taten.
    »Sie müssen essen und trinken«, hob Sharan Kang an, »dann werden wir alle besser in Stimmung sein, um zu reden.«
    Nachdem wir unsere Hände in Silberschüsseln mit warmem Wasser gewaschen und mit seidenen Handtüchern getrocknet hatten, machten wir uns, wenn auch ziemlich vorsichtig, ans Essen. Sharan King bediente sich von den gleichen Platten und langte kräftig zu, was uns einigermaßen beruhigte. Als wir die Speisen kosteten, waren wir froh, daß sie anscheinend nicht vergiftet waren, denn sie schmeckten köstlich.
    Ich machte dem Hohepriester aufrichtige Komplimente für seine Gastfreundschaft, die er recht wohlwollend entgegennahm. Er wirkte allmählich weit weniger finster. Ehrlich gesagt, begann ich ihn beinahe gern zu haben.
    »Es ist recht ungewöhnlich«, sagte ich, »daß ein Tempel gleichzeitig als Palast dient - und dazu noch mit so merkwürdigem Namen.«
    »Die Hohepriester von Kumbalari«, erklärte Sharan Kang mit einem Lächeln, »sind auch Götter, also müssen sie einen Tempel bewohnen. Und da der
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