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Der Herr der Lüfte

Der Herr der Lüfte

Titel: Der Herr der Lüfte
Autoren: Michael Moorcock
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seit tausend Jahren kein Fremder hatte betreten dürfen. Natürlich war ich mißtrauisch gegenüber Sharan Kang. Natürlich fragte ich mich, warum er nach tausend Jahren plötzlich bereit war, die heilige Stadt durch unsere Präsenz besudeln zu lassen. Aber was konnte ich tun? Wenn er sagte, daß er bereit war, einen Friedensvertrag auszuhandeln, dann mußte ich ihm glauben.
    Ich konnte mir absolut nicht vorstellen, wie eine Stadt, die sich wie diese auf den Klippen des Himalaya erhob, erbaut worden war. Ihre verrückten Turmspitzen und Kuppeln straften das Gravitationsgesetz Lügen. Ihre schiefen Mauern liefen an den Berghängen entlang, und viele Gebäude erweckten den Eindruck, als seien sie vorsichtig auf Felsplatten hochgezogen, die kaum das Gewicht eines Menschen tragen konnten. Viele Dächer und Mauern waren mit komplizierten Schnitzereien unermeßlich detailfreudiger Kunstfertigkeit geschmückt und mit Juwelen, Edelmetallen, seltenen Hölzern, Jade und Elfenbein besetzt. Kreuzblumen ringelten sich über und über. Monströse Steinungeheuer starrten von Dutzenden Simsen herab. Die ganze Stadt glitzerte im kalten Licht und wirkte tatsächlich älter als irgendein Bauwerk, das ich jemals gesehen oder von dem ich gelesen hatte. Doch trotz all seiner Pracht und seines Alters wirkte Teku Benga auf mich wie ein ziemlich schäbiger Flecken, so als hätte die Stadt schon bessere Tage gesehen. Vielleicht hatten gar nicht die Kulumbari sie erbaut. Vielleicht war die Rasse, welche sie erbaut hatte, auf mysteriöse Weise verschwunden, wie dies auch anderswo geschehen war, und die Kulumbari hatten sie nur besetzt.
    »Puh! Was für ein Gestank!« Risalda Jenab wedelte mit seinem Taschentuch angeekelt vor seiner Nase herum. »Sie halten ihre Schafe und Ziegen wohl in den Tempeln und Palästen.«
    Teku Benga roch wie ein verlotterter Bauernhof, und der Gestank wurde noch stärker, als wir unter den finsteren Blicken der Wachen durch das Haupttor zogen. Unsere Pferde trotteten durch ungleichmäßig gepflasterte, mit Dung und anderem Unrat verschmutzte Straßen. Keine einzige Frau war zu sehen. Alles, was wir zu sehen bekamen, waren ein paar kleine Jungen und eine Anzahl Krieger, die sich offenbar sorglos um ihre Ponies herumtrieben. Wir ritten weiter die steile Hauptstraße hinauf, an der sich lediglich Tempel entlangreihten, auf einen weiten Platz zu, der die Mitte der Stadt darstellen mußte. Die Tempel selbst waren von umwerfender Scheußlichkeit, in einem Stil, den ein Gelehrter wohl dekadentes östliches Barock genannt hätte. Jeder Zentimeter war geschmückt mit Darstellungen von Göttern und Dämonen aus offenbar allen vorhandenen Mythologien des Ostens. Da waren Mischungen aus Hindu- und Buddhismus-Symbolik, moslemische und einige christliche Ornamente, und solche die ich als ägyptisch, phönizisch, persisch, sogar griechisch und als noch ältere auslegte; doch keine dieser Zusammenstellungen war für das Auge gefällig. Doch zumindest verstand ich nun, warum man diese Stadt als einen Ort bezeichnete, wo »Alle Götter heimisch sind« - obwohl ihre Anwesenheit nebeneinander ziemlich unbehaglich wirkte.
    »Das ist ganz eindeutig kein gesunder Flecken Erde«, erklärte Jenab Shah. »Ich werde froh sein, wenn wir der Stadt den Rücken kehren. Hier würde ich nicht gerne sterben, Hauptmann Basta-ble. Ich hätte Angst darum, was aus meiner Seele wird.«
    »Ich verstehe, was Sie meinen. Wollen wir hoffen, daß Sharan Kang sein Wort hält.«
    »Ich bin gar nicht so überzeugt, gehört zu haben, wie er sein Wort gab«, meinte Risaldar vielsagend, als wir auf dem Platz angelangten und unsere Pferde zügelten. Wir waren vor einem riesigen, reich verzierten Gebäude angelangt, das zwar viel größer war als die übrigen, doch die gleiche ekelerregende Stilmischung aufwies. Kuppeln, Minarette, spiralartig aufsteigende Spitztürme, Gitterwände, pagodenähnliche Terrassendächer, geschnitzte Säulen, schlangenartige Schnörkel, Fabelungeheuer, die von jeder Ecke herabgrinsten oder finster dreinschauten, Tiger und Elefanten, die an jedem Eingang Wache standen. Das Gebäude war vorwiegend in Grün und Safrangelb gehalten, doch waren auch Rot-, Blau-, Orange- und Goldtöne zu sehen, und einige Dächer waren mit Silber und Blattgold überzogen. Er schien der älteste Tempel von allen zu sein. Darüber strahlte der blaue Himmel des Himalaya, an dem graue und weiße Wolken brodelten. Der Anblick ähnelte nichts, was ich jemals erlebt
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