Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der Falken - Schlucht

Der Herr der Falken - Schlucht

Titel: Der Herr der Falken - Schlucht
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
rüttelte.
    »Die Sonne strahlt, Prinzessin.« In seiner Stimme schwang Spott oder war es Erleichterung? »Ja«, sagte sie. »Die Sonne strahlt, wie ich es versprochen habe.«
    Sie blinzelte ins grelle Morgenlicht. Der See lag wie ein gleißender Spiegel. Das Boot war nirgends zu sehen. »Cleve wird uns finden, Kerek«, lächelte sie. »Du hast kein Boot. Willst du zu Fuß nach York? Oder kannst du vielleicht fliegen?«
    »Seht, Prinzessin.«
    Ihr Blick folgte seinem ausgestreckten Finger. Direkt hinter dem schmalen Zufluß, an dem sie lagerten, lag die Handelsstadt Inverness. Tränen der Enttäuschung brannten ihr in den Augen.
    »Chessa, fügt Euch endlich in Euer Schicksal. Euch erwartet ein angenehmes Leben. Ihr werdet allen Luxus haben, den Ihr Euch erträumt. Ich besorge Euch jeden Liebhaber, den Ihr haben wollt, nachdem Ihr dem Danelagh einen Erben geschenkt habt. Auch Turella hat Liebhaber. Und Cleves Kind wird in Geborgenheit aufwachsen.«
    Die Männer jubelten. Sie wiesen auf die Stadt, warfen Sand auf die sterbende Glut, glätteten die Kleider und wuschen sich die Gesichter.
    »Du hast kein Schiff«, sagte sie, als er sie auf die Füße zog. »Willst du eines stehlen, um damit nach York zu kommen?«
    »Ich habe etwas Besseres.« Kerek klopfte ihr den Staub von den Röcken und legte die Decke sorgfältig zusammen. Dann nahm er ihren Arm und begab sich mit ihr an die Spitze der Schar. »Haltet Ausschau nach Banditen«, warf er seinen Männern über die Schulter hinweg zu und setzte sich in Bewegung.
    Am frühen Nachmittag erreichten sie Inverness. Das Wetter war mild, eine leichte Brise sorgte für Erfrischung. Kerek kaufte ihr einen neuen safrangelben Kittel, dazu einen hellgelben Umhang und zwei Silberspangen aus Orkney, die den Umhang an den Schultern hielten. Er kaufte außerdem einen Kamm aus Elchgeweih und wies die alte Frau in der Badehütte an, sie nicht nur zu baden, sondern auch ihr Haar zu flechten.
    »Warum?« wollte Chessa wissen, doch Kerek zuckte nur die Achseln. Er hielt vor der Badehütte Wache, während die anderen Männer ihre Silbermünzen für ihre Bedürfnisse ausgaben.
    Kurz vor Sonnenuntergang brachten Kerek und seine Männer Chessa aus der Stadt zur Mole am Hafen. »Hier entlang, Prinzessin.«
    Er führte sie zu einem stattlichen Kriegsschiff, dessen Bug ein geschnitzter schwarzer Rabe zierte. An Bord standen mindestens fünfzig Männer zu ihrer Begrüßung bereit. Einer der Männer rief: »Es ist Kerek! Er hat sie bei sich. Bei den Göttern, er hat es geschafft.«
    Kerek schob sie den schmalen Holzsteg vor sich her an Bord. Im Bug befand sich ein überdachter Frachtraum, der Chessa sehr groß erschien. Das Segeltuch der Überdachung war rot und weiß gestreift wie das riesige Segel, das aufgerollt am Mast hing.
    »Ihr versteht Euch doch aufs Wahrsagen«, raunte Kerek in ihr Ohr. »Dann sagt mir, was Euch erwartet.«
    Sie würdigte ihn keiner Antwort. Sanft schob er sie durch die Öffnung des Vorhangs. Auf einem kostbar geschnitzten Lehnstuhl saß Ragnor und hielt ein hellblaues Glas in der Hand. Hinter ihm stand Turella, ihre Hand ruhte auf seiner Schulter.
    »Willkommen, Chessa.« Ragnor hob sein Glas, prostete ihr zu und nahm einen tiefen Schluck. Dann rülpste er laut und grinste. »Da bist du also. Ich bezweifelte, daß Kerek es schaffen würde, denn er ist ein alter Mann, doch meine Mutter traut ihm zu viel zu. Immerhin hat er es geschafft, dich mir zu bringen. Besonders klug bist du ja nicht, Chessa.«
    »Du hast deine Sache gut gemacht, Kerek«, lobte Turella. »Ich war bereits in Sorge, denn ich hatte dich früher erwartet.«
    »Die Prinzessin machte uns die Entführung nicht gerade leicht, Hoheit. Sie rief das Ungeheuer von Loch Ness herbei, und wir waren gezwungen, uns ans Ufer zu retten.«
    »Das Ungeheuer?« Ragnor erbleichte und beugte sich vor.
    »Ja, das Ungeheuer. Es existiert wirklich.«
    »Daran zweifle ich nicht«, erwiderte Turella. »Doch du hast das Ungeheuer in die Flucht geschlagen. Und die Prinzessin sieht nach dem bestandenen Abenteuer recht gut aus.«
    »Ich ließ sie baden und neu einkleiden«, erklärte Kerek. »Ist Eure Braut nicht schön, Sire?« Er würde Turella später erzählen, was alles passiert war, nachdem Chessa und Ragnor vermählt waren. Ob Turella ihm glaubte, oder ihn nur in ihrer geheimnisvollen Art anlächeln würde?
    »Sie sieht passabel aus, aber mit Utta ist sie nicht zu vergleichen«, erwiderte Ragnor abfällig. »Dieser Met schmeckt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher