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Der Herr der Falken - Schlucht

Der Herr der Falken - Schlucht

Titel: Der Herr der Falken - Schlucht
Autoren: Catherine Coulter
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war.
    Er hob die Kleine hoch, schloß sie in die Arme und drückte sie an sein Herz, dieses kleine, unschuldige Wesen, das seinen Lenden entsprungen war. Er versuchte, die Gedanken an ihre Mutter Sarla zu verdrängen, die Frau, die er einst geliebt hatte und die ihn töten wollte. Sein Herz klopfte heftig und kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn.
    Kiri küßte sein Kinn und schlang ihre dünnen Ärmchen um seinen Hals. Sie drückte ihn fest an sich und lachte. Erst jetzt kam er völlig zu sich. Es war nichts weiter als ein böser Traum gewesen.
    »Heute habe ich Harald verhauen«, plapperte sie drauflos. »Er ließ mich nicht mit seinem Schwert spielen. Weil ich ein Mädchen bin und was anderes lernen muß als Männer töten, sagt er. Und ich habe ihm gesagt, daß er auch kein Mann ist, sondern nur ein kleiner Junge. Da wurde er ganz rot im Gesicht und gab mir Schimpfnamen, und dann hab' ich ihn verhauen.«
    »Weißt du noch, welche Schimpfnamen er dir gegeben hat?«
    Sie verneinte, den Kopf an seine Brust geschmiegt. Er lächelte, obwohl ihm weh ums Herz war. Er konnte ihr die Wahrheit nicht ewig verheimlichen. Kinder hörten, wenn die Erwachsenen von früher redeten und von Sarla, sie merkten, wenn sie sich dabei suchend nach Kiri umschauten, die nicht die geringste Ähnlichkeit mit ihrer Mutter hatte. Kiri war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Suchten die Leute im Gesicht seiner Tochter nach Spuren von Sarla?
    Er drückte sie zärtlich an sich. Er liebte das Kind abgöttisch, ihr hübsches Gesicht, bei dessen Anblick die Männer später einmal den Verstand verlieren würden. Schon als Säugling hatte sie die Händchen nach dem Messer ihres Vaters ausgestreckt, und nicht nach der Stoffpuppe, die Tante Laren für sie gemacht hatte. Nachts legte er Kiri die Puppe in die Arme, um Laren nicht zu kränken.
    Nun flüsterte er seiner schlafenden Tochter ins Haar: »Ich träumte von einer Gegend, wo es ganz anders aussieht als in Norwegen. Aber irgendwie kam mir das Land bekannt vor. Dort gab es Nebel, so durchsichtig wie gesponnene Seide, der alles in ein lichtes Grau hüllte. Und überall gab es weiß und rot blühende Stauden. Ein Land, das ganz anders war als jeder Ort, wo ich je im Leben war. Doch es war mir so vertraut. Ich habe alles wiedererkannt, und noch nie in meinem Leben habe ich mich mehr gefürchtet.«
    Er schwieg, denn er wollte nicht mehr davon sprechen. Der Traum machte ihm Angst, das gestand er sich offen ein. Angst wovor? Er konnte es nicht erklären. Er küßte den Scheitel seiner kleinen Tochter und bettete sie an seine Seite. Gegen Morgen schlief er ein, der betörende Duft der fremdartigen Blüten schien die Kammer zu erfüllen.
    Gehöft Malverne Vestfold, Norwegen zwei Jahre später
    »Verdammt, Cleve, ich hätte dich umbringen können. Du stehst da wie ein Ochse ohne einen Funken Verstand und läßt dich abschlachten. Was ist los mit dir? Wo zum Teufel ist dein Messer? Du mußt es gegen mein Herz richten, du verrückter Kerl.«
    Cleve blickte Merrik Haraldsson kopfschüttelnd an, den Mann, der ihm, Laren und ihrem kleinen Bruder Taby vor fünf Jahren in Kiew das Leben gerettet hatte. Merrik war sein bester Freund und hatte ihm das Kämpfen beigebracht. Nun stapfte Merrik mit dem Bogen in der Hand verärgert auf ihn zu, weil Cleve sich nicht aggressiv genug verteidigt hatte. Man lebte schließlich in einer unsicheren Welt. Überall lauerten Gefahren, auch hier auf Malverne, Merriks stattlichem
    Anwesen. Der Hof lag mitten in fruchtbarem Ackerland, von hohen Bergen umgeben am Ufer des Fjordes, dessen Wasser in der Sommersonne tiefblau schimmerte.
    Cleve wartete ab. Merrik war bis auf eine Armlänge herangekommen. Mit einer blitzschnellen halben Drehung hob er das Bein und trat Merrik vor den Bauch, nicht zu tief, um den Freund nicht unnötig zu verletzen. Fast zeitgleich setzte er ihm das Knie vor die Brust, streckte ihn rückwärts zu Boden und hockte sich rittlings auf ihn. Die Messerspitze hielt er ihm an den Hals.
    Merrik machte ein verdutztes Gesicht, bevor seine Knie hart im Rücken seines Schülers landeten, dem nun die Luft wegblieb. Dann schnellte er zur Seite und sein kräftiger Arm flog hoch, in der Absicht, Cleve hinter sich auf den Boden zu schleudern. Doch der klemmte Merriks Brustkasten zwischen die Oberschenkel und ließ nicht locker. Wäre Merrik ein Feind gewesen, hätte Cleves Messer ihm längst mit einem schnellen Schnitt die Kehle aufgeschlitzt. Doch es war nur ein
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