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Der Herr der Falken - Schlucht

Der Herr der Falken - Schlucht

Titel: Der Herr der Falken - Schlucht
Autoren: Catherine Coulter
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Kampftraining. Die Männer würden noch lange ringen und sich gegenseitig weitere Schmerzen zufügen. Ächzen und Stöhnen würde in den blauen Frühlingshimmel aufsteigen, bevor Merrik sich geschlagen gab, wenn überhaupt. Merrik war ein listenreicher Kämpfer, und Cleve hatte auch nach fünf Jahren noch nicht alle seine Tücken durchschaut.
    Oleg schrie: »Aufhören, ihr Raufbolde! Ihr bringt euch noch gegenseitig um. Wenn Laren euch erwischt, versohlt sie euch mit der flachen Seite von Merriks Schwert den Hintern. Und dann küßt sie Merrik solange, bis er auf andere Gedanken kommt.« Lachend stand er über ihnen, die Hände in die Hüften gestemmt. Oleg war ein großer Mann, goldblond wie die meisten Wikinger, und seine Augen waren so blau wie der Sommerhimmel.
    Als Cleve endlich den Griff um den Hals seines Lehrmeisters lockerte, hielt Merrik die offenen Handflächen nach außen. »Ich gebe mich geschlagen. Eigentlich bin ich längst tot. Du bist sehr geschickt mit dem Messer geworden. Und dann besitzt du die Frechheit, es wegzuwerfen und mich zu erdrosseln, auch ein Trick, den ich dir beigebracht habe.«
    »Du bist wütend geworden, Merrik. Wie oft hast du mir gepredigt, ein Mann sei ein Dummkopf, wenn er sich im Zweikampf dazu hinreißen läßt, wütend zu werden.« Cleve grinste breit auf ihn herunter. »Aber du hattest ohnehin keine Chance, ob wütend oder nicht.«
    Merrik fluchte laut und lang, bis die drei Männer lachten, andere dazukamen und ihre eigenen Tricks und Tücken im Zweikampf zum Besten gaben.
    Cleve gab Merrik frei und bot dem Freund die Hand. Er hätte Cleves Arm brechen oder ihn mit einer Körperdrehung in den Sand schleudern können, doch er hatte sich geschlagen gegeben, und damit war das Kampftraining beendet.
    Plötzlich wurde Merrik ernst wie damals im letzten Frühling, als das Fieber Malverne heimsuchte und zehn seiner Leute dahinraffte. »Hör zu, Cleve. Du darfst nie die Wachsamkeit verlieren. Irgendwo lauert immer Gefahr. Weißt du noch, wie meine Base Lotti vor ein paar Wochen von einem wilden Eber im Gerstenfeld angegriffen wurde? Wäre nicht Egill zufällig in der Nähe gewesen, hätte ihr letztes Stündlein geschlagen. Man muß immer auf der Hut sein.«
    Cleve hatte den Vorfall keineswegs vergessen. Und die Erinnerung ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Cleve hatte große Achtung vor Lotti, die nicht sprechen konnte, sich aber mit einer selbst erfundenen Fingersprache ebenso verständlich machte wie jemand, der sprechen konnte. Und alle Bewohner von Malverne, ihre Kinder, ihr Ehemann Egill verstanden sie und sprachen auf diese Weise mit ihr. Cleve hatte in den vergangenen fünf Jahren einige Zeichen gelernt, doch er würde wohl nie so schnell und geschickt mit den Fingern reden wie Lotti oder Egill.
    »Ich dachte gerade an meinen Traum«, sagte Cleve und wünschte sich sofort, den Mund gehalten zu haben. Träume waren für die Wikinger sehr wichtig. Jeder Traum wurde erzählt und eingehend gedeutet, bis alle zufrieden feststellten, daß nichts Schlimmes zu befürchten sei.
    »Welcher Traum?« fragte Oleg, der den beiden Männern einen Becher mit klarem Fjordwasser reichte, das im späten Frühjahr noch so kalt war, daß einem die Kehle vereiste.
    »Ein Traum, der sich schon fünfmal wiederholte.«
    »Fünf Nächte hintereinander?«
    »Nein, Oleg, fünfmal in den letzten zwei Jahren. Mit jedem Mal wurde er ausführlicher und deutlicher wie Ilerias Wandteppiche, und dennoch kann ich mir noch immer nicht erklären, was er bedeutet. Aber er bedeutet etwas, das weiß ich. Es ist sehr vertrackt.«
    »Erzähl«, forderte Merrik ihn auf. »Ein Traum, der sich immer ausführlicher wiederholt, kann etwas sehr Wichtiges bedeuten, Cleve. Er kann zukünftige Ereignisse anzeigen, oder Gefahren, von denen wir noch nichts ahnen.«
    »Ich kann nicht, Merrik. Noch nicht. Er handelt nicht von euch oder von diesem Land. Er handelt von der Vergangenheit, einer lang zurückliegenden Vergangenheit.«
    Merrik drängte ihn nicht weiter. Cleve war nicht minder eigensinnig wie Laren, Merriks rothaarige Frau. Auf dem Weg zum Fjord, wo sie zusammen mit einigen anderen Männern und Halbwüchsigen schwimmen wollten, wechselte er das Thema. »Du reist morgen in die Normandie an Herzog Rollos Hof. Berichte dem Herzog, daß wir ihn nach der Ernte besuchen werden.« Er schwieg eine Weile, und sein Gesicht strahlte große Zärtlichkeit aus, als er hinzufügte: »Sag Taby, daß ich ihm einen neuen Griff
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