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Der Herr der Falken - Schlucht

Der Herr der Falken - Schlucht

Titel: Der Herr der Falken - Schlucht
Autoren: Catherine Coulter
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dritten Mal aufgefordert, die Wünsche Herzog Rollos zu präzisieren. »Wie alt ist Wilhelm?«
    »Er vollendet bald sein dreißigstes Lebensjahr.«
    »Gut, daß er nicht älter ist.«
    »Für Eure Tochter mag die Frage von gewissem Belang sein. Andererseits kann ein Mann noch an der Schwelle des Todes Kinder zeugen. Nur das zählt. Gemessen an der Schar Eurer Kinder und Eurer langen Regierungszeit sollte man Euch für einen betagten Mann halten, und dennoch steht Ihr in der Blüte Eurer Jahre. Das ist erstaunlich, Sire.«
    Vergeblich wartete Cleve auf eine Reaktion auf seine Anspielung. Der König nahm den Köder nicht an. Er sagte nur: »Wir setzen unser Gespräch heute abend fort, Cleve von
    Malverne. Nimmst du meine Einladung noch einmal an, mit uns zu speisen? Meine Tochter wird, so hoffe ich, ihre Zunge in Zaum halten. Und meine Königin wird sich gleichermaßen Zurückhaltung auferlegen, obgleich es ihr schwerfällt, fürchte ich.«
    »Bei Eurer Tochter sehe ich eine Chance, Sire«, entgegnete Cleve. »Bei Eurer Königin wäre ich nicht so sicher.«
    Sitric seufzte. »Ich weiß.«
    An diesem Abend geleitete Cullic, ein Leibwächter des Königs, den Gesandten Cleve in die königlichen Gemächer. Cullic war ein schöner, dunkelhäutiger Mann mit verschlossener Miene und hartem Blick. Schweigend führte er Cleve zu seinem Platz an der langen, festlich gedeckten Tafel. Es wurden Platten aufgetragen mit knusprig gebratenen Gänsen, deren Hälse und Köpfe, von dünnen Goldnadeln gestützt, aufrecht gehalten waren, was ihnen den Anschein einer traurigen Lebendigkeit verlieh. Dazu gab es Hammel und Spanferkel, Schüsseln mit Erbsen und Bohnen, Zwiebeln und gedünstetem Kohl. In Körben stapelten sich knusprige Laibe Roggenbrot. An der Tafel des Königs von Irland wurde nicht von gewöhnlichen Holztellern gespeist, sondern von feingeschliffenen Glastellern aus dem Rheingau, die von hellblauer Farbe mit goldenen Einschüssen waren. Die Trinkgefäße bestanden gleichfalls aus kostbarem Glas und waren gefüllt mit süßem roten Wein, wie ihn die gewöhnlichen Untertanen des Königs in ihrem ganzen Leben nicht zu kosten bekamen. Messer und Löffel waren aus poliertem Hirschhorn, die Griffe aus glänzend schwarzem Obsidian. Am Abend zuvor war die Tafel mit hellgrünen Tellern und Gläsern aus dem Gebirge im Süden des Frankenreiches gedeckt gewesen. Dieser König war wahrhaft reich, und er wirkte so jung. Cleve hätte viel darum gegeben, etwas über die Hintergründe seiner magischen Verwandlung zu erfahren. König Sitric hatte eine dunkle Hautfarbe, seine Augen waren schwarz wie Kohle, und sein Haar war ebenso schwarz und glänzend wie das seiner Tochter. Er wirkte seltsam fremdländisch an diesem Abend, was noch vom flackernden Licht der Öllampen auf der langen Tafel und den Pechfackeln, die in Eisenhaltern an den Wänden steckten, unterstrichen wurde.
    »Dieses Gericht scheint dir fremd zu sein, Cleve«, richtete Chessa das Wort an ihn. »Das sind Blausaiblinge mit Eiern.«
    Wie bei ihrer ersten Begegnung schaute sie ihn unverwandt mit leicht seitlich geneigtem Kopf an. In ihre aufgesteckten Zöpfe waren grüne Bänder geflochten. Cleve wandte den Blick von ihr. Vor langer Zeit hatte Sarla ihn angesehen wie diese Chessa, ohne Abscheu, ohne Ekel. Nein, er würde kein zweites Mal auf Weiberlisten hereinfallen. Nie wieder. Er hatte Kiri. Mehr wollte er nicht.
    Er war gekommen, um Verhandlungen über die Vermählung der Prinzessin mit Wilhelm Langschwert, dem Sohn von Herzog Rollo der Normandie, zu führen. Wilhelm war ein aufrechter und einflußreicher Mann, den Cleve schätzte und bewunderte, ein Mann, der für Chessa nicht zu alt war. »Ich kenne keine Blausaiblinge.« Er bemühte sich um eine höfliche Konversation mit diesem seltsamen Mädchen, das nicht einmal mit der Wimper zuckte, wenn sie ihm ins Gesicht sah.
    »Sie schwimmen in dichten Schwärmen nahe am Ufer des Liffey«, erklärte sie und neigte sich ihm zu. Ihre Augen leuchteten in einem tieferen Grün als die Bänder in ihrem Haar. Augen - klar wie ein Waldsee nach einem warmen Sommerregen. Wenn diese Prinzessin schon so treuherzig tat, warum sah sie ihn nicht, wie er wirklich war? Warum wich ihr Blick nicht aus, wenn sie ihm ins Gesicht schaute? »Ich gehe mit meinen Brüdern oft zum Fischen. Brodan hat die Saiblinge gefangen, die wir heute essen.«
    »Chessa, wie oft habe ich dir verboten, mit den Prinzen die Palastmauern zu verlassen. Es ist zu gefährlich.
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