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Der Herodes-Killer

Der Herodes-Killer

Titel: Der Herodes-Killer
Autoren: Mark Roberts
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flüsterte sie. «Rühr dich nicht.» Ihre Stimme klang in der flüssigen Stille geisterhaft. Das Reden war ein Fehler gewesen. Die körperliche Handlung des Sprechens setzte einen üblen Geschmack in ihrem Mund frei, und fast hätte sie sich erbrochen.
    Während der Klang ihrer Stimme in der Dunkelheit versank und der Geruch und der Geschmack ihre Sinne überwältigten, explodierte die Erinnerung in Blitzen vor ihrem inneren Auge.
    Als sie im Badezimmer von der Toilette aufgestanden war, sich die Hände wusch und sich umdrehte, hatte sie plötzlich einen Stich im Unterarm und eine Faust im Gesicht gespürt. Das Gefühl zu träumen verflüchtigte sich, da der eiskalte Wind der Wirklichkeit sie wach rüttelte.
    Er kam nicht aus der Dunkelheit, er war die Dunkelheit selbst. Der Gedanke überfiel sie, und plötzlich konnte sie Gegenwart und Vergangenheit zusammensetzen.
    «Um Himmels willen!»
    Sie tauchte die Finger in die Lösung, in der sie schwamm, und roch daran.
    Es war kein Geruch wahrnehmbar. Langsam öffnete sie die Lippen und gestattete ihren Fingern, die Zunge zu berühren. Salz. Salzwasser. Sie trieben auf einer Salzwasserlösung, eingesperrt in einer Dunkelheit, in die kein Geräusch drang.
    Sie erinnerte sich an einen Namen: Alison Todd, die zweite Mutter, die vor etwas mehr als sieben Monaten verschwunden war. An dem Tag, an dem Julia von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, hatte die Nachricht von der Entdeckung der Leiche die Schlagzeilen gefüllt.
    Von den vier ermordeten Müttern hatte Alisons Fall Julia am betroffensten gemacht, und der Gedanke an ihre verstümmelte Leiche hatte einen tiefen Schatten über das kleine Essen geworfen, mit dem sie Julias Schwangerschaft gefeiert hatten.
    Phillip hatte versucht, Julias Ängste abzutun, aber sie hatten während ihrer ganzen Schwangerschaft angehalten. Manchmal waren sie richtig laut gewesen, manchmal hatten sie dunkel gemurmelt, aber immer waren sie da gewesen.
    Das Ding, in dem sie und ihr Baby eingesperrt waren, hatte Seitenwände. Ihre Ängste holten gemeinsam Luft und brachen dann in ihrem Kopf in ein Riesengeschrei aus.
    «Oh Herr Jesus!»
    Julia spürte, wie das Blut aus ihren Gliedmaßen wich und ihr schwindlig wurde.
    Eine gestresste Mutter stresst ihr ungeborenes Kind!
    Eine Weisheit aus der Mütterberatung, an der sie teilgenommen hatte, kehrte zu ihr zurück wie ein Funksignal aus dem Weltraum, eine Botschaft aus einer fernen Welt, der sie und ihr Baby nicht länger angehörten.
    Eine gestresste Mutter … stresst … ihr ungeborenes … Kind!
    Sie bekam keine Luft.
    Sie hörte, wie ihr Herz gegen die Rippen hämmerte und mit jeder Sekunde schneller wurde, und spürte es als Pulsschlag hinter den Augäpfeln.
    Instinktiv verschränkte sie die Arme über dem Bauch und schützte ihr Baby mit einer Rüstung aus Fleisch und Knochen.
    Phillip hatte versucht, sie von den Nachrichten abzulenken, wenn über die Entdeckung von Alison Todds Leiche und weitere von den Medien veröffentlichte Details berichtet wurde. Aber Phillip war nicht immer da, zum Beispiel nicht, als er nachts geschlafen hatte und sie nach unten getapert und beim Nachrichtensender der BBC gelandet war.
    Filmausschnitte vom Fundort der Leiche; blau-weißes Band, das ein Gebiet um die Lambeth Bridge absperrte; das grimmige Gesicht des Reporters, als er von dem Ort berichtete, wo eine zweite Leiche, «mutmaßlich die von Mrs. Todd», von einem Mann gefunden worden war, der am frühen Morgen seinen Hund spazieren geführt hatte.
    Die Polizei verweigerte die Auskunft, ob die Mutter tot oder lebendig gewesen war, als der Mörder das Baby und Teile der Gebärmutter mit einem Kaiserschnitt aus dem Bauch geholt hatte. Die genaue Ursache von Alison Todds Tod war unbekannt; die Polizei ließ die Medien über dieses Detail im Unklaren, um falsche Geständnisse erkennen zu können.
    Besser du als ich.
    Ihre eigenen Worte brannten ein Loch in ihre Erinnerung.
    Sie weinte in der Dunkelheit und brauchte alle Kraft ihres Zwerchfells, um den Schrei zu unterdrücken, der aus ihrem Herzen und ihrer Kehle herausbrechen wollte. Als ihr Baby sie plötzlich kräftig trat, brach ihre Willenskraft in sich zusammen.
    Der Deckel war niedrig, und der Schrei schallte in ihr Gesicht zurück. Sie holte wieder Luft, schrie nach ihrer Mutter und brach in hysterisches Schluchzen aus, als das Wort knapp über ihrem Gesicht am Deckel erstarb.

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    7
    Kenne deinen Feind … Londons Drogendealer und
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