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Der Herodes-Killer

Der Herodes-Killer

Titel: Der Herodes-Killer
Autoren: Mark Roberts
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Süchtige.
    Die Versammlung von Gesichtern an der Wand des Großraumbüros im Polizeirevier Isaac Street starrte in die von Neonlicht erleuchtete Stille. Im Gegensatz zum gesichtslosen Herodes-Killer wirkten sie wie ein ganz vernünftiger Haufen Jungs und Mädels. Das Büro diente gleichzeitig als Ermittlungszentrale für die laufende Morduntersuchung, genau wie Geld war auch Platz knapp.
    Es war einundzwanzig Uhr, und DCI David Rosen war inzwischen schon über fünfzehn Stunden im Dienst. Er war so erschöpft, dass er eigentlich nach Hause hätte fahren sollen, um etwas zu essen und um zu schlafen, doch ein intuitives Unbehagen hielt ihn im Büro fest. Er hatte seine Frau Sarah angerufen und sich entschuldigt. Für sie war das nichts Neues, sie korrigierte gerade die Übungshefte ihrer Schüler und steckte bis über beide Ohren in Arbeit.
    Auf Rosens Schreibtisch lag ein farbiger Stadtplan von London, auf dem die Entführungsorte mit roten Kreuzen und Zahlen markiert waren. Die Fundorte der Leichen, die blauen Kreuze, schienen kein erkennbares Muster zu bilden. Jenny Maguire, Opfer Nummer eins, im See beim James Park. Alison Todd, Opfer Nummer zwei, unter der Lambeth Bridge. Jane Wise, Opfer Nummer drei, an der Ecke Victoria Street und Vauxhall Bridge Road. Sylvia Green, Opfer Nummer vier, neben dem Oval Cricket Ground. Wo würde Julia wohl auftauchen? Rosen brütete über dem Stadtplan und hoffte auf eine Idee.
    Er öffnete Outlook Express. Es gab eine E-Mail mit Anhang, die vielleicht wichtig war. Von Carol Bellwood.
David, ich habe alle bedeutsamen Informationen vom heutigen Tatort in Brantwood Road Nr. 22 und 24 in HOLMES eingegeben. Zwei Stunden und jede denkbare Datenvariante später muss ich leider sagen, dass es keine Treffer gibt.
Tut mir leid, Carol
P. S. Schauen Sie sich einmal den Anhang in Hinblick auf unser Gespräch heute Morgen an. Ist es das, was mit den Babys geschehen ist?
    HOLMES (Home Office Large and Major Enquiry System) enthielt sämtliche Daten aller Verbrechen, die je in Großbritannien gemeldet worden waren, gelöste wie ungelöste Fälle. Wenn Bellwood, die beste HOLMES-Nutzerin, die Rosen kannte, nichts Hilfreiches aus der Datenbank herausquetschen konnte, die Einzelheiten aller in Großbritannien begangenen Verbrechen abglich, dann konnte es niemand. Es war ein Schlag, und er fluchte ungehalten.
    Er klickte den Anhang an, öffnete ihn und murmelte beim Anblick des Fotos auf dem Bildschirm: «Mein Gott.» Es war das Archivbild eines in einem Glasbehälter konservierten Fötus. Das Weiß seiner vollkommenen Haut war von einem komplizierten Netzwerk von Adern durchzogen. Die Welt um Rosen versank. Etwas an dem Foto war unerträglich.
    Er klickte das Bild weg. Erschöpft und verstört von dem, was er gerade gesehen hatte, verließ er das Büro, um sich in der kleinen Küche nebenan einen Kaffee zu kochen.
    Als er zu seinem Schreibtisch zurückkehrte, blinkte das rote Lämpchen des Anrufbeantworters. Er blies die Backen auf und stieß die Luft aus.
    Er hatte eine Nachricht. Rosen drückte auf «Abspielen». Die Nachricht begann mit einem längeren Schweigen, dann hörte er eine Stimme.
    «Mein Name ist Bruder Aidan Walsh. Ich bin der Abt von St Mark’s, einer Gemeinschaft von Dominikanern in der Nähe von Faversham in Kent. Ein Mitglied unseres Klosters, Father Sebastian Flint, glaubt, dass er Ihnen bei Ihren derzeitigen Ermittlungen im Fall der entführten Frau helfen kann. Vielleicht könnten Sie mich zurückrufen.»
    Bruder Aidan Walsh hatte eine Nummer und den Segen des Herrn Jesus Christus hinterlassen.
    Faversham in Kent. Rosen kannte die Gegend gut, und seine Neugier war geweckt. Er rief die Nummer an, die er auf einem Spiralblock notiert hatte, und wartete.
    Er ließ das Telefon läuten, ohne darauf zu achten, wie oft. Wahrscheinlich lagen alle schon um acht in den Betten, da sie zweifellos mitten in der Nacht zum Beten aufstanden. Er beschloss, es noch einige Male läuten zu lassen und dann aufzulegen. Er würde es am nächsten Morgen erneut versuchen.
    Plötzlich brach der Freiton ab, und am anderen Ende wurde abgenommen.
    Schweigen. Dann: «Ja?»
    «Ist dort Bruder Aidan?»
    «Nein, er ist leider gerade zum Abendgebet gegangen.»
    «Ich bin Detective Chief Inspector Rosen, London Metropolitan Police. Ich sollte Bruder Aidan zurückrufen. Mit wem spreche ich bitte?»
    Als der Mann am anderen Apparat antwortete, knisterte die Leitung.
    «Entschuldigen Sie bitte», sagte Rosen.
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