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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris
Autoren: Claude Cueni
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die Namen bereits auf den Todeslisten, obwohl noch kein Urteil verkündet worden war. »In Lyon wurde der Henker Jean Ripet der Ältere im Alter von achtundfünfzig Jahren hingerichtet«, sagte Fouquier, während er Charles die aktuelle Liste übergab. »Ich hoffe, du hast genügend Karren und Pferde.« Charles verstand die Botschaft sofort. Ripet war Royalist gewesen.
    »Der König ist längst tot«, sagte Charles unbeeindruckt, »kann ich mein Amt demnächst an meinen Sohn übergeben?«
    »Noch nicht, Charles«, flüsterte Antoine, »es ist noch nicht vorbei. Aber bald.«
    Charles war verzweifelt, seit Monaten hatte er von Dan-Mali nichts gehört. Seine Geduld war zu Ende. Er eilte zum Jesuitenkloster. Er würde Dan-Mali einfach mitnehmen. Für immer. Er überlegte auch, ob er mit ihr Paris verlassen sollte. Henri war alt genug. Als er endlich das Kloster erreichte, stellte er erschreckt fest, dass nicht mehr viel davon übrig geblieben war. Die Sansculotten hatten es abgefackelt. Charles stiess einen Schrei des Entsetzens aus und rannte zur verkohlten Pforte hoch. Er sprang über die heruntergestürzten Balken, die immer noch vor sich hinräucherten. »Dan-Mali!«, schrie er und eilte in den Hof. Es war niemand zu sehen. Er stand nun mitten im Kräutergartenund drehte sich im Kreis. »Dan-Mali!«, schrie er immerzu.
    »Was wollen Sie noch?«, rief jemand. Ein Pater kam hinter einer Säule hervor. »Sie haben Dan-Mali verhaftet.«
    »Warum?«, schrie Charles wütend.
    »Ich hatte Ihnen doch gesagt, Sie sollen nicht mehr vorbeikommen. Sie bringen nur Unglück. Wir wollten nie ins Blickfeld der Justiz geraten. Wer weiss, was sie sich als Nächstes ausdenken.«
    Die Nachricht traf Charles wie ein Dolchstoss mitten ins Herz. Dan-Mali war wegen angeblicher royalistischer Umtriebe verhaftet worden.
    Der Pater kam auf Charles zu und zischte: »Schauen Sie doch, was Sie hier angerichtet haben.« Er packte Charles, doch dieser schlug ihm die Hände weg und eilte auf die Strasse. Er wollte sofort Fouquier zur Rede stellen.
    Dieser liess ihn warten. Leute kamen und gingen. Mehrfach wies Charles den vor der Tür stehenden Diener in blauer Livree an, seinen Besuch zu melden. Nach zwei Stunden öffnete sich schliesslich die Tür für ihn.
    »Wo brennt es denn, Bürger Sanson?«, fragte Fouquier, ohne von seinen Akten aufzublicken. »Wir haben uns doch erst gesehen.«
    »Im Jesuitenkloster lebte eine Frau aus Siam. Sie wurde von Ihrer Behörde verhaftet. Warum?«
    »Woher das Interesse, Bürger Sanson?« Fouquier richtete sich auf und lehnte sich müde in seinen Sessel zurück.
    »Sie ist meine Patientin«, sagte Charles, »ich bin sicher, da liegt ein Missverständnis vor. Sie hat sich nie für Politik interessiert.«
    »Aber die Politik interessiert sich nun für sie. Sie ist hergekommen, um unsere Sprache zu lernen. Aber was tut sie? Sie hat bis vor kurzem die Hemden von Pater Gerbillon gebügelt. Die Hemden eines Royalisten.« Fouquier lächelte und fuhr sich lange mit der Zunge über die Schneidezähne, als versuchte er, Essensreste herauszulösen. »Pater Gerbillon«, fuhr er fort, »war ein guter Hinweis. Wir haben die Mitarbeit des Bürgers Sanson mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Aber du weisst doch selbst, es genügt nicht, eine kranke Stelle am Körper zu entfernen, man muss grosszügig den Herd umkreisen und alles in der Umgebung herausschneiden. Du hast doch einige Semester Medizin studiert, oder?« Fouquier warf den Kopf theatralisch zurück. »Ich habe noch zu tun, Bürger Sanson.«
    »Ich will sie sprechen.«
    »Bürger Sanson, wir können auf jeden verzichten. Auch auf dich. Nimm den Mund nicht zu voll. Und halte Abstand zu Leuten, die an royalistischen Umtrieben beteiligt sind. Wir merzen sie aus. Alle. Auch jene, die sie unterstützen. Egal, ob sie Wäsche bügeln oder Schuhe herstellen.«
    »Ich will sie sprechen«, beharrte Charles.
    Fouquier liess sich Zeit mit der Antwort. Er genoss es sichtlich, Charles leiden zu sehen. »Nun gut«, sagte er nach einer Weile, »du hast uns immerhin Pater Gerbillon ausgeliefert. So sei es.« Er betätigte die Glocke auf seinem Schreibtisch. Der Diener betrat das Kabinett. »Stellen Sie für Bürger Sanson eine Besuchserlaubnis aus. Für eine Dame siamesischer Herkunft.«
    »Welches Gefängnis?«, fragte der Diener.
    »Ich müsste nachschauen, aber mir fehlt die Zeit.« Fouquier grinste.
    Charles wusste genau, dass er log.
    Zuerst suchte Charles das Gefängnis L’Abbaye
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