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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris
Autoren: Claude Cueni
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zurück. Langsam schob er den Becher über den Tresen und fragte: »Hast du in Indien gekämpft?«
    »Wir nennen es Amerika, aber die Eingeborenen, die nennen wir Indianer. Ich weiss nicht, was richtig ist. Hauptsache, wir verstehen uns.«
    Der Wirt nickte und sagte nach einer Weile: »Wir mögen hier keine Fremden.«
    »Ich war nie wirklich weg. Ein Jahr vielleicht.«
    Der Wirt schüttelte den Kopf. »Ich habe schon einige gesehen, die drüben waren. Das sind nicht mehr die gleichen Leute, wenn sie zurückkommen. Die reden dann dummes Zeug. Denn drüben, da gibt es keine Könige. Da ist jeder sein eigener König. Das habe ich mal gehört.«
    »Ja«, murmelte Leutnant Sanson, »es gibt sogar welche, die sich von Frankreich abspalten wollen. Dafür ziehen sie in den Krieg und sterben. Sie wollen Freiheit.«
    Der Wirt musterte ihn skeptisch und wandte sich dann von ihm ab. Er brachte den Gästen am langen Tisch einen neuen Krug Wein.
    »Wo ist der Rest deiner Armee?«, stichelte einer der Gesellen und zeigte seine schwarzen Zahnstummel. Nun lachten die Saufkumpane. Es war ein raues, respektloses Lachen. Wie eine verschworene feindliche Truppe sassen sie an ihrem Tisch und lauerten auf seine Antwort.
    »Desertiert«, fragte einer, »oder bringst du uns den Krieg?«
    Der Leutnant trank seinen Becher in einem Zug leer und trat an den langen Tisch. »Messieurs, mein Regiment ist in der Nähe von Dieppe stationiert. Es ist das Regiment des Marquis de La Boissière. Ich bin im Auftrag meines Kommandanten unterwegs. Ich habe eine dringende Depesche für Paris.« Er nahm Haltung an und legte seine rechte Hand auf den eisernen Korb seines langen Degens. »Ich brauche ein frisches Pferd.« Er schaute den Wirt fordernd an.
    »Siehst du hier irgendwelche Pferde?«
    »Er hat nur uns«, grölte einer der Gesellen. Die anderen kicherten besoffen vor sich hin.
    »Wie bist du denn hergekommen?«, fragte der Wirt.
    »Mein Pferd liegt draussen im Schlamm. Es hat sich das Bein gebrochen.« Er wurde allmählich ungeduldig. »Ich wollte ihm den Gnadenschuss geben, aber das Zündpulver ist nass.«
    Nun schauten alle zu jenem Gast hinüber, der einsam am kleinen, runden Tisch in der Ecke sass. Doch dieser blickte nicht auf. Er starrte in seinen Becher. Sein Haupt war kahl.
    »Frag ihn«, sagte der Wirt unwirsch, »vielleicht hat er ein Pferd für dich. Bei uns kannst du eh nicht bleiben. Wir haben keine Gästezimmer.«
    »Ich brauche auch eine Waffe, mein Pferd muss erlöst werden.«
    »Sehe ich aus wie ein Waffenhändler?«, brummte der Wirt. »Frag ihn. Er kennt sich aus mit Tieren. Er weiss, wie man ein sterbendes Pferd erlöst.«
    Die Männer am langen Tisch lachten erneut.
    »Fünf Sou«, brummte der Hüne in der Ecke.
    Leutnant Sanson kramte einige Münzen aus der Tasche und legte sie auf den Tresen.
    »Gib es ihm selber«, sagte der Wirt mit einem seltsam verächtlichen Unterton.
    »Nein«, erwiderte der Hüne, »lass es auf dem Tresen. Er soll mir dafür nochmals Wein bringen.«
    Der Leutnant schob einen leeren Becher über den Tresen. »Gib ihm Wein.«
    Der Wirt nahm den Becher und stellte ihn wieder auf den Kopf. »Er trinkt aus seinem eigenen Becher.«
    Der Leutnant blickte hinüber zu den Gesellen am langen Tisch. Sie schwiegen. Stumm starrten sie ihn an. Er nahm die Weinkaraffe und ging langsam zu dem Mann in der Ecke. Er blieb vor seinem Tisch stehen und schenkte ihm Wein nach.
    »Wo liegt das Tier?«, fragte dieser mit leiser, rauer Stimme.
    »Gehen Sie in Richtung Wald, dann werden Sie es sehen.«
    Der Mann nickte. »Ich kümmere mich um dein Pferd. Aber der Kadaver gehört mir. Lauf den Weg zurück. Du hast das kleine Gehöft gesehen? Es ist rot gestrichen. Dahinter findest du eine Kapelle. Dort findest du mich. Du kannst in meiner Scheune übernachten, Chevalier.«
    Der Leutnant schaute den Mann irritiert an.
    »Geh schon voraus, ich werde den Wein trinken und mich nachher um dein Pferd kümmern.«
    »Können Sie es nicht sofort erledigen?«
    Der Mann schaute nun zu ihm hoch. Sein Blick war stechend, seine Augen erloschen. Er hatte ein Gesicht wie ein Amboss, hart, kantig, unnachgiebig, als könnte man reinschlagen, ohne dass sich das Geringste in diesem Gesicht bewegte. Der Leutnant ging mit der Weinkaraffe wieder zum Tresen zurück und sagte zum Wirt: »Ich will mich waschen.« Er zeigte seine schmutzigen Hände. Erst jetzt sah er das Blut an der linken Hand.
    »Hinten im Hof findest du einen Trog.« Der Wirt wies mit dem
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