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Der Heiratsspezialist

Der Heiratsspezialist

Titel: Der Heiratsspezialist
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aber er war immer höflich zu mir, nie gemein, hat mich nie geschlagen, und ich glaubte ihm, wenn er sagte: Jenny, ich liebe nur zwei Menschen auf der Welt, jeden auf seine Art: Dich und meinen Neffen Bob.«
    »Das hat er gesagt?« Bob Brook blickte sich um. Auf einer Kommode stand ein altes Foto von Steve Hamilton in einem verschnörkelten Silberrahmen. Nur jetzt nicht sentimental werden, dachte Bob. Nur jetzt nicht dem lieben Onkelchen Abbitte tun. Bei Steve war man sich nie sicher, wo Ehrlichkeit aufhörte und Sarkasmus anfing. Das mit der Neffenliebe war so ein Grenzfall.
    »Er war ein imponierender Mann!« sagte Jenny. »Und stark.«
    »Das will ich meinen.« Bob wandte den Blick von Jennys Bluse und erhob sich. »Was machen wir jetzt?«
    »Sie sind der neue Boß. Sie haben alles geerbt.«
    »Und Sie dazu.«
    »Machen Sie sich darüber keine Gedanken. – Sie gefallen mir auf Anhieb.«
    »Danke.«
    »Irgendwie gleichen Sie Steve.«
    »Aber auch nur irgendwie.«
    »Sie sind groß, sehen blendend aus, so ein Typ wie Rock Hudson.«
    »Soll ich erröten, Jenny?«
    »Und intelligent sollen Sie auch sein, heißt es jedenfalls. Lieber Himmel, was ist über Sie schon geflüstert worden, seit herauskam, daß Sie den Saloon übernehmen werden.«
    »Stopp! Da ist der erste Irrtum! Ich übernehme nichts! Ich verkaufe.«
    »Eis.«
    »Den Saloon!«
    »Nie!« Jenny schoß aus dem Schaukelstuhl wie eine zubeißende Kobra. »Nie!« rief sie. Und wie ihre Augen funkeln konnten! Das Püppchenhafte fiel von ihr ab, sie war plötzlich ein Mensch mit einem höchst eigenständigen Charakter. Eine Persönlichkeit, die sich bisher nur maskiert hatte. »Das ist Steves Lebenswerk! Mit Leib und Seele hing er daran! Wissen Sie, was er gesagt hat? ›Bob‹, hat er gesagt, ›ist ein lieber Junge, aber völlig versaut. Studiert hat er – aber was hat er nun davon? Spielt Orgel, leitet einen Kirchenchor, bewohnt ein Zweizimmer-Apartment, war zweimal verlobt, hat aber nie geheiratet, weil die Dollars noch kürzer waren als seine Bettdecke.‹ Stimmt das?«
    »Ja.« Bob sah wieder das Foto Hamiltons an. Du Gauner, dachte er. Dabei hast du mir jedes Weihnachten Noten geschenkt. Orgelkonzerte von Händel oder Schütz, Vivaldi und Bach.
    »›Und deshalb soll er einmal meinen Saloon erben‹, hat Steve gesagt, ›damit er endlich ein schönes Leben führen kann. Nur deshalb schufte ich noch und sorge dafür, daß der Betrieb hier läuft!‹ – Und Sie wollen dieses Vermächtnis einfach verscheuern.«
    »Du lieber Himmel, welch ein Theater! Es war nur eine Idee von mir!« sagte Bob. »Man kann doch Ideen haben …«
    »Nicht solche!« Jenny zeigte mit ausgestrecktem Arm zur Küche. »Soll ich etwas kochen?«
    »Wie spät ist es?«
    »Nach zwanzig Uhr.«
    »O ja, habe ich geschlafen! – Haben Sie denn Hunger, Jenny?«
    »Ja, nach dem Begräbnis habe ich erst mal eine Stunde geheult und dann mit den Lieferanten um dreißig Tage Kredit gefeilscht. Sie liefern morgen früh wieder an. Aber jetzt habe ich Hunger.«
    »Jenny, Sie sind fabelhaft!« sagte Bob ehrlich. »Wenn Sie jetzt noch Ihre Bluse zuknöpfen, könnte ich mit Ihnen vernünftig reden. Und mit dem Hintern zu wackeln, brauchen Sie auch nicht bei mir.«
    »Ich gehe nun mal so!« sagte sie giftig. »Ich kann mir Ihretwegen nicht die Beine um den Hals hängen!« Sie verschwand in der großen, blitzenden Küche – für einen Ice-Saloon ist Hygiene oberstes Gebot –, Töpfe schepperten, und dann kam sie zurück. »Wiedereröffnung ist morgen mittag Punkt zwölf! Bis dahin müssen wir sechzehn Sorten Eis machen. Die Torten und die Rollen werden gegen fünf geliefert. Die Getränke um sechs. Wir werden die ganze Nacht schuften müssen.«
    »Ohne mich!«
    »Bob!« Sie baute sich vor Brook auf. Ihr Gesicht glühte. Wozu braucht sie dieses fürchterliche Make-up, dachte Bob. Ohne das Zeug ist sie hundertmal schöner, vor allem, wenn sie wütend ist. »Sie überwachen die Rührwerke eins bis neun! Die Mischung setze sowieso ich an!« Und dann fügte sie etwas hinzu, was Bob tief in die Seele traf: »Von mir aus können Sie dabei an Mozart oder Beethoven denken. Hauptsache, das Eis wird richtig!«
    Man soll es nicht glauben: Es gelang!
    Um fünf in der Frühe kamen die Eistorten, um sechs die Getränke, um neun waren die sechzehn Sorten Eis fertig und in die Kübel in der Theke eingefüllt, um elf putzte Jenny noch einmal das Lokal durch, um zwölf schloß Bob die Tür auf und entfernte die
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