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Der Heiratsspezialist

Der Heiratsspezialist

Titel: Der Heiratsspezialist
Autoren: Heinz G. Konsalik
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jedenfalls Pfarrer McDolland am Grab verkündet –, und Bob Brook erbte den Ice-Saloon mit der sich Tag und Nacht drehenden Plastikwaffel auf dem Dach. Das nächtliche Lichterspiel war um zwei Farben bereichert worden: Orange – pell' mir ein Apfelsinchen, Trinchen … und Gold – der Honig ist der Biene Lust …
    Grauenhaft!
    Robert Brook bremste abrupt. Links neben der breiten Ausfallstraße nach Glendale, dieser schnurgeraden, asphaltierten Wüstenpiste, die zwischen dem Grass-Peak und dem Muddy-Peak hindurchführte, einer Gegend, wo selbst die Sandflöhe flacher als anderswo sind, hier, wo kaum je einer stoppt, weil er nämlich gerade so richtig in Schwung gekommen ist für die Wüstendurchquerung – hier also, am äußersten Rande von Las Vegas, stand Hamiltons Ice-Saloon.
    Eine mit himbeerroten Kunststeinen verkleidete Baracke. Hätte nicht rötlich-gelber Staub darauf gelegen, wäre man versucht gewesen, daran zu lecken, um zu prüfen, ob die Verkleidung nicht doch aus Zucker war. Über dem Dach die kreisende Eiswaffel, links ein Parkplatz, am Straßenrand ein Schild: ›Steves Eis – unerreicht‹, und über der Eingangstür noch ein Schild mit dem Slogan: ›Stopp! Las Vegas ist auch Onkel Steve!‹
    Bob fuhr seinen alten Dodge hinter das Haus. Er betrat sein Erbe durch eine vergitterte Hintertür und zog seine schwarze Jacke aus. Leer, wie der Ice-Saloon war, wirkte er noch bedrückender auf ihn. Zwar alles modern: die chromschimmernde Theke mit den Softeishähnen und den Festeiskübeln, ein langer Glasaufsatz mit Kühlaggregat für die Eistorten und italienischen Spezialitäten, eine Registrierkasse mit einem Geheimhebel, der das Druckwerk ausschaltete (wodurch sich die Steuer umgehen ließ), zweiunddreißig runde Tische mit Kunststoffplatten und hundertdreißig Stühle mit Chromgestellen und Plastiksitzen. Alles sehr sauber, sehr hygienisch, von amerikanischer Perfektion, bunt und einladend. Bob kannte das alles zur Genüge, und er kannte auch die Sprüche, die Onkel Steve von sich zu geben pflegte, wenn gerade nur vier oder sechs Personen im Ice-Saloon saßen.
    »Ideen muß man haben«, hatte er gesagt. »Ich habe keine. Außerdem bin ich jetzt zu alt. Aber es läßt sich aus dem Betrieb etwas machen – ich weiß nur nicht, was!«
    Bob Brook setzte sich auf den Hocker hinter die Theke, auf dem auch Hamilton immer gesessen hatte, wenn er so geduldig auf Kunden wartete. Er fühlte sich wie in einer Geisterwelt. Es war still um ihn … der leere Gastraum mit den bunten Stühlen, die leere Theke, die leeren Eisbehälter, die Kühle aus der Klimaanlage, die bunten zugezogenen Gardinen vor den Fenstern, der Geruch nach Putzmitteln mit Zitronenzusatz und Salmiak – Onkel Steve, was soll ich hier? Wenn ich einen Käufer finde, ich küsse ihn von oben bis unten ab, wenn er den Laden nimmt. Aber soviel Glück habe ich nicht … und so schnell verirrt sich kein Idiot nach Las Vegas! Wir Brooks haben immer nur gehofft, ja, das ist geradezu unsere Spezialität. Hoffen auf was Besseres. Selbst Mama hat noch gehofft, als die Ärzte schon längst kapituliert hatten. Ein halbes Jahr hat sie mit dieser knallharten Hoffnung herausgeschunden – die Ärzte nannten es ein Wunder –, aber ich, Onkel Steve, halte das hier kein halbes Jahr aus. Ich bin ein Feingeist, mein Blut gerät in Wallung, wenn ich Chopin spiele … und jetzt soll ich Eis machen und Hörnchen füllen?! Verdammt, Steve, das war unfair von dir!
    Bob Brook blickte erstaunt zur Tür. Es hatte geklopft. Er rührte sich nicht, steckte sich eine Zigarette an und blies den Rauch mit gespitzten Lippen von sich. Lies, was draußen an der Tür steht, dachte er. WEGEN TRAUERFALL GESCHLOSSEN. Außerdem gibt es kein Eis, es wird nie mehr Eis bei Onkel Steve geben! Nie mehr! Seine Spezialrezepte werde ich nachher verbrennen. Das tue ich noch für dich, Onkel Steve. Dein Name soll ehrbar bleiben, auch wenn du ein ausgekochter Bursche gewesen bist!
    Es klopfte wieder, lauter, anhaltender. Jemand rüttelte von außen an der Türklinke. Bob erhob sich, ging ein paar Schritte in den Gastraum hinein und brüllte gegen die Fenster.
    »Hier ist Trauer! Können Sie nicht lesen?«
    »Machen Sie auf!« rief eine Stimme zurück.
    »Es gibt kein Eis mehr!« Bob bewunderte die Hartnäckigkeit des Unbekannten und trat näher an die Tür heran. »Fahren Sie weiter! An jeder Straßenecke in Las Vegas kriegen Sie Eis!«
    »Ich will kein Eis, ich will Sie sprechen, Bob Brook!«
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