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Der Hausflug

Titel: Der Hausflug
Autoren: Gert Prokop
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Antwort kam, holte er zum Schlag gegen die Fensterscheibe aus.
    „Nicht doch“, sagte die Stimme. „Die Tür ist offen.“
    „Wurde auch Zeit“, brummte Jonas und ging auf den Flur. Er blickte sich immer wieder um und wartete einen Moment, bevor er die Klinke herunterdrückte. Niemand zeigte sich. Jonas stieß die Tür auf.
    „Vorsicht!“ rief die Stimme.
    Jonas starrte entsetzt zur Tür hinaus. Das Dorf lag tief unter ihm, ein Lastkahn auf dem Fluß sah aus wie ein Spielzeugschiff. Das Haus schwebte in der Luft.

Das zweite

    Eine Geisterstimme – Zwischen den Wolken
Träume vom Fliegen und fast
ein Zusammenstoß mit einem Flugzeug
     
    „Ich denke“, sagte die Stimme, „wir machen die Tür lieber zu.“ Jonas hörte, wie sie mit leisem Klicken ins Schloß fiel. Er drückte die Klinke herunter, doch die Tür ließ sich nicht mehr öffnen. Er rannte ins Wohnzimmer und sah aus dem Fenster. Das Haus schien weiter zu steigen. Die Bungalows in den Gärten waren nur noch winzige Farbtupfen, und er konnte jetzt bis zu den Bergen sehen.
    Jonas stand ganz still, täuschte, hielt den Atem an. Kein Geräusch. Er legte die Fingerspitzen an die Wand. Nicht einmal ein Zittern verriet, daß irgendwo ein Motor arbeitete. Wolkenfetzen zogen vor dem Fenster vorbei. Du träumst noch immer, dachte Jonas. Er kniff sich fest in den Arm, es tat weh.
    „Wer bist du?“ fragte Jonas verzweifelt in den leeren Raum. „Was geht hier vor?“
    „Nichts Schlimmes“, antwortete die Stimme, „du brauchst keine Angst zu haben.“
    Jetzt erst, da das Wort gefallen war, spürte Jonas Angst. Panische Angst. Eingesperrt in einem fliegenden Haus, dachte er, in einer Fischerkate, die jeden Augenblick auseinanderbrechen kann. Unmöglich. Wach endlich auf! Er ritzte mit der Messerklinge über die Haut des Handballens. Blut trat heraus, und es brannte.
    „Das kann doch nicht wahr sein!“ rief er. Aber ein Blick aus dem Fenster zeigte ihm, daß sie nun schon dicht über den Wolken flogen, über einem dichten, kugelbäuchigen, sonnenüberfluteten Wolkenmeer.
    Wie trocken sein Mund war. Jonas ging in die Küche. Im Kühlschrank standen Flaschen. Er nahm sich eine Cola und trank in langen, gierigen Schlucken. Und Hunger hatte er auch. Jonas bekam immer Hunger, wenn er aufgeregt war. Er nahm die Flasche mit, rückte den Schaukelstuhl ans Fenster, setzte sich, holte die Stullen aus dem Rucksack und biß wütend hinein.
    „So ist es richtig“, sagte die Stimme. „Fühl dich wie zu Hause.“
    Jonas mußte laut prusten. Er verschluckte sich, spuckte die Krümel auf den Boden.
    „Du bist gut“, sagte er.
    „Ja“, erwiderte die Stimme, „ich bin gut. Ich will dir kein Leid antun. Vertraue mir.“
    „Und du? Warum vertraust du mir nicht? Warum zeigst du dich nicht?“
    „Aber du siehst mich doch.“
    „Wo?“ Jonas blickte suchend die Decke ab, die Stimme schien von oben zu kommen. Vielleicht aus der Dachkammer?
    „Überall“, sagte die Stimme. „Ich bin das Haus.“
    „Ein Haus, das sprechen kann?“ sagte Jonas ungläubig.
    „Du hörst es doch. Und fliegen. Oder glaubst du das auch nicht? Dann sieh aus dem Fenster.“
    „Ich weiß nicht, ob ich meinen Sinnen noch glauben darf“, brummte Jonas.
    „Tu es nur. Du träumst nicht. Und wenn schon – ist es nicht ein schöner Traum, fliegen zu können?“
    „Ja“, gestand Jonas, „ich träume oft davon.“
    „Na also! Warum willst du dann nicht ein bißchen mit mir herumfliegen?“
    Ja, warum eigentlich nicht, dachte Jonas. Dann fiel ihm Oma ein.
    „Es geht leider nicht“, sagte er. „Oma wartet auf mich. Sie weiß doch, daß ich heute kommen soll.“
    „Was geschieht, wenn du später kommst?“ erkundigte sich die Stimme.
    „Nun“, antwortete Jonas, „zuerst wird Oma denken, daß ich mit dem Bus am Nachmittag komme, aber dann wird sie Vater anrufen.“
    „Wann?“
    „Heute abend.“
    „Gut, darin schenke mir diesen Tag. Ich verspreche dir, daß du heute abend bei Oma bist. Laß uns einen Ausflug machen, ja?“
    „Einen Hausflug!“ Jonas lachte. „Das ist das Verrückteste, was mir je zugestoßen ist. Kein Mensch wird das glauben.“
    „Ist es wichtig für dich, daß man es dir glaubt? Ist es nicht allein wichtig, daß du es erlebst? Was hältst du davon, wenn wir nach Afrika fliegen? Dahin wolltest du doch schon immer.“
    „Das weißt du?“ fragte Jonas erstaunt.
    „Oh, ich weiß mehr von dir, als du denkst. – Also, was ist?“
    Jonas zögerte. Fliegen, dachte
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