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Der Hauptmann von Koepenick

Der Hauptmann von Koepenick

Titel: Der Hauptmann von Koepenick
Autoren: Carl Zuckmayer
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betrunkener Gardegrenadier, Paul Kallenberg, genannt Kalle, Wilhelm Voigt
    Café National in der Friedrichstraße. Sonntag vormittag, wenig Gäste, keine Musik. Im Hintergrund, über einer breiten Portierentür, ein Schild:
    ZUM BILLARD-KLUB »BONNE QUEUE« GESCHLOSSENE VEREINIGUNG
    Von dort hört man das klickernde Geräusch der Billardkugeln, dann und wann gedämpfte Rufe der Spieler.
    Einige umfängliche Damen sitzen stur und gelangweilt an Marmortischen, der frühen Stunde zum Trotz, wie Soldaten, die auch bei ungünstigster Gefechtslage ihren Posten nicht verlassen.
    Die Kellner lackeln müde am Büfett.
    Im Vordergrund rechts sitzen Wilhelm Voigt und Paul Kallenberg, genannt Kalle. Kallenberg ist bedeutend jünger als Voigt, mit kleinem, verkniffenem Gesicht, entzündeten Augenlidern, Gefängnisblässe. Er trägt Kragen und grelle Krawatte.
    KALLE
Wo hastn heite Nacht jepennt?
    VOIGT
Bein Bahnhof Wannsee, und denn uff ne Bank im Jrienen. Wie’s kalt jeworden is, bin ick bis Zoo jefahren und hab mir in Wartesaal jesotzen.
    KALLE
Ick hab in ’n Bett jelegen. Piekfein.
    VOIGT
Wieso denn? Wie hastn det jeschafft?
    KALLE
Ick hab ne Visite jemacht, bein Schmittchen, weeßte, den Anstaltsgeistlichen von Moabit, den mit de Plüschaugen, den wa imma det Riehr-Ei jenannt hahm. Der hat uns ma seine Adresse jejeben, det wa ihm sollten vont neie Leben und von unsre Besserung ’ne Ansichtskarte schreiben. Ick schelle so jejn achte, det Meechen macht mir uff, ick rasch ’n Stiebel in de Türspalte: und rin!! Da sitzense umn Tisch rum und labbern rote Gritze. Nu ha’ck mir an de Wand jelehnt un de Hende vort Jesichte jeschlagen und habe jeweint, det ma de Tränen nur so in de Stoppeln jekullert sind. Det kann ick neemlich jetzt prima mit meine vakiehlten Knalloogen. »Son trauliches Familienleben«, ha’ck jewimmert – »Jottachjott, wer det ooch mal hette!« Da hat er mir jleich ne Suppe jejeben, und denn noch ’n Ende Wurst mit sone mehligen Kartoffeln zu, un in sein Sohn sein Bette hat er mir jelegt, un der mußte auft Kanapee pennen. »Joachim«, hat er zu sein Sohn jesacht – »übe dir mal wieder in de christliche Nächstenliebe.« Son Schmußlappen.
    VOIGT
Na un denn?
    KALLE
Heite morjen hat’s ’n Kaffe jejeben, der schmeckte bloß nach Zischorje, ne trockne Schrippe bei von letzten Mittwoch, und denn hat er mir mit seine janze Familie in Dom jechickt, weil Sonntach is. Na, ick hab mir jeschämt – Untern Linden mit sone olle Pastorenzippe und an jeder Hand ne Rotzjöhre! An de Passasche ha’ck kurz kehrt jemacht und hab mir seitwärts in die Bische jeschlagen.
    VOIGT
Du bist ne Nummer, Kalle.
    KALLE
Jewiß doch, sogar ne hohe Nummer, aber ne janz unjrade! Mensch, det mußte ooch sind heitzutage, sonst verreckste im Stehen und vahungerst vorm Telikadessenjeschäft.
    EIN KELLNER
kommt, mustert die beiden mißtrauisch Wennse hier rumsitzen, missense auch was verzehren.
    VOIGT
Sie Schlauer. Jrade janz jenau deswejen sitzen wa neemlich hier rum.
    KALLE
Der meent wol, wir ham uns hier als Preisrichter vor de Scheenheitskonkurrenz anjebaut! Nee, Scheibe! Von Kunstjenuß alleene kann der Mensch nich leben. Zwee Konjack.
    VOIGT
For mich nich. Ick mecht ’n heißen Kaffe.
    KALLE
Zwee Konjack. Willem, du bist injeladen. For ’n heißen Kaffe kannste selbst blechen.
    KELLNER
geht.
    VOIGT
Haste Kies?
    KALLE
holt ein paar kleinere Geldstücke aus der Tasche Det sin de letzten Morikaner.
    VOIGT
Un wennse abjestorben sind?
    KALLE
Denn kann ick immer noch mein Anzuch verkoofen. Der is noch janz schnieke.
    VOIGT
Mensch, mach det nicht! Bleib in Schale, Mensch!! Ick kann dir sagen, Schale is allens. Wenn de mal so rumloofst als wie icke – denn is nischt mehr zu wollen.
    KALLE
Wat denn, du bist ja nu ooch noch ’n janz scheener Jingling.
    VOIGT
In Potsdam – da ha’ck son Klamottentempel jesehn – Junge Junge! da kannste des Kaisers Rock forn blauen Lappen kaufen – mitn janzen Klimbim.
    KALLE
Wat meenste?
    VOIGT
Son Uniformjeschäft. Ick bin ma rin und wollte uff Arbeet fragen, wejen de hohen Lackstiebeln in der Auslage. Mensch – da hängt de janze Herrlichkeit uff de Stange, wie de Häute bein Lohjerber. Siehste – da ha’ck jestaunt.
    KALLE
Haste denn noch nie ’n Uniformladen jesehn?
    VOIGT
Nee; det heißt, bei de Pollacken schon – aber hierzeland is mir det nie uffjefallen. Da ha’ck mir immer jedacht: des Kaisers Rock, na, den kriste doch von der Kammer, wenn de Rekrut wirst. Un wat son
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