Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hauptmann von Koepenick

Der Hauptmann von Koepenick

Titel: Der Hauptmann von Koepenick
Autoren: Carl Zuckmayer
Vom Netzwerk:
raus bin, da ha’ck fast nur noch Luft in de Knochen.
    OBERWACHTMEISTER
Quasselnse nich. Sie haben wohl auch Luft im Kopp, was? Was wollense denn hier in Potsdam?
    VOIGT
Arbeeten will ick.
    OBERWACHTMEISTER
Das kann jeder sagen. Warum habense denn früher nicht gearbeitet? Fuffzehn Jahre Zuchthaus, wegen Posturkundenfälschung!
    VOIGT
Det is lange her, Herr Kommissär.
    OBERWACHTMEISTER
Desto schlimmer, desto schlimmer! Mit achtzehn Jahren!! Wie habense das denn angestellt?
    VOIGT
Na da war’ck n junger Dachs, Herr Kommissär. Und es hat sich ja alles in allem nur um dreihundert Märker jehandelt.
    OBERWACHTMEISTER
Das ist gar keine Entschuldigung.
    VOIGT
Ick will mir auch garnich entschuldigen, Herr Kommissär, det war nu mal so. Ick bin da mit’n jungen Meedchen gegangen, aus de Hotelkichenbrangsche. Da war’ck janz wech von. Ick konnte ihr nie wat spendieren, vastehnse, un de Spendierer, die hamse mir einfach abjespannt.
    OBERWACHTMEISTER
Und da sind Sie einfach hingegangen und haben einfach die Reichspost betrügerisch ausgeplündert.
    VOIGT
Ick dachte, det spürense da jarnich, bei son großen Betrieb. Aber denn habense mir jeschnappt und haben mir gleich fuffzehn Jahre injespunnen. Det is doch’n bisken ville forn junges Blut.
    OBERWACHTMEISTER
Darüber steht Ihnen kein Urteil zu. Das Strafmaß entspricht immer ganz genau der Schwere des Delikts.
    VOIGT
Meintswegen. Et is ja nu lange vorbei.
    OBERWACHTMEISTER
So was ist nie vorbei, merkense sich das. Was in Ihren Personalakten steht, das ist Ihnen so festgewachsen wie die Nase im Gesicht. Wer einmal auf die schiefe Bahn gerät –
    VOIGT
Stimmt.
    OBERWACHTMEISTER
Wieso »stimmt«. Was stimmt?
    VOIGT
Das mit de schiefe Bahn. Da hamse janz recht. Det is, wie wennse ne Laus uff ne Glasscheibe setzen. Da kannse nu krabbeln und krabbeln un rutscht ejal immer wieder runter.
    OBERWACHTMEISTER
Das sind so Redensarten, die kennt man. Liest in den Akten Nach Verbüßung Ihrer Strafe sind Sie ins Ausland gegangen.
    VOIGT
Jawoll, nach Böhmen und denn nach Bukarest.
    OBERWACHTMEISTER
Was habense denn dort getrieben?
    VOIGT
Da ha’ck jearbeetet.
    OBERWACHTMEISTER
So. Bei wem denn?
    VOIGT
Bein Schuhfabrikanten namens Wonkrowitz. Det war ’n Jude.
    OBERWACHTMEISTER
Aha! Macht sich eine Notiz Und warum sindse dann zurückgekommen?
    VOIGT
Det kann man schwer sagen, Herr Kommissär. Ick hatte mir da neemlich recht scheen rinjesetzt.
    OBERWACHTMEISTER
Warum sindse dann nicht bei Ihrem Juden geblieben?
    VOIGT
Weil ick – ick habe mir eben so sehr zu Hause jesehnt. Det war dumm von mir. Bei dem Juden, da war’ck neemlich jut unter.
    OBERWACHTMEISTER
Habense denn in Deutschland noch Familie?
    VOIGT
Nee, det heißt, haben tu’ck schon noch, ne Schwester zum Beispiel, die is verheiratet. Da trau ick mir aber mit all meine Vorstrafen aufn Puckel jarnich rauf.
    OBERWACHTMEISTER
Dann möcht ich nun wirklich wissen, warum Sie wieder nach Deutschland zurückgekommen sind.
    VOIGT
Ick sage ja, det war dumm von mir. Aber ick habe mir heimjesehnt. Da unten, da sinse alle janz anders, und da redense ooch janz anders. Und da hat nu schließlich der Mensch seine Muttersprache, und wenn er nischt hat, denn hat er die immer noch. Det glaubense jarnich, wie scheen Deutschland is, wenn man weit wech is und immer nur dran denkt. Aber ick sage ja, det war dumm von mir.
    OBERWACHTMEISTER
liest in den Akten, ohne zuzuhören Zuletzt hattense nun wieder eine Freiheitsstrafe zu verbüßen – fünfzehn Monate Gefängnis, wegen Melde- und Paßvergehen, Irreführung der Behörden und versuchter Urkundenfälschung.
    VOIGT
Da wollt ick mir nu de Neese aus det Jesichte reißen. Aber det hat nich jegangen.
    OBERWACHTMEISTER
Was redense da?
    VOIGT
Ick meine, wat Sie vorhin jemeint haben, sone Vorstrafe, die schleppt eener mit rum wie de Neese ins Jesicht. Als Willem Voigt, da hab ick nischt zu jewinnen in de Lotterie. Nu hab ick mir jesacht: Schluß mitn Willem Voigt, fängste als Friedrich Müller von vorne an. Det war doch jar nich so iebel.
    OBERWACHTMEISTER
Blödsinn. Sie sehen ja, was dabei rausgekommen ist.
    VOIGT
Ick hab mir halt nich ausjekannt.
    OBERWACHTMEISTER
Also hoffentlich kennense sich jetzt aus: was ’n Gesetz is, und was ’n Vergehen is, und was ’n Gefängnis is. Lang genug habense ja studiert.
    VOIGT
Jawoll, det kann ick wohl flüstern. Aber deshalb brauch ick nu jetzt meine Aufenthaltserlaubnis. Ohne der bin ick ja uffjeschmissen. Ick mechte mir hier in de Schuhfabriken vor
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher