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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
Autoren: Marcello Simoni
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wahrgenommen hatte. Der Chef? Unwahrscheinlich. So zieht man sich nicht an, wenn einem etwas gehört, auch dann nicht, wenn es ein Schrottplatz ist.
    Ich wich Lachen am Boden aus, auf denen das Licht der Sonne, die eben durch die Wolken kam, in Regenbogenfarben spielte, und versuchte, nicht auf einen der scharfkantigen Metalltrümmer zu treten, die überall herumlagen wie nach einem Bombentreffer. Hinter dem nächsten Schrotthaufen tauchte ein intaktes Gebäude auf. An der Tür hing ein Schild, darauf stand in taubenblauen Buchstaben »Klemm«, darunter »Büro. Anmeldung hier«.
    Ich musste mich mit der Anmeldung beeilen, ich war mindestens eine Stunde über die vereinbarte Zeit. Dennoch blieb ich an der Tür zum Büro stehen und drehte mich noch einmal um, schaute zurück zu dem Mann auf der Plattform. Ich dachte überhaupt nichts dabei, höchstens dass ich nicht die geringste Lust verspürte, in dieses Büro hineinzugehen, dass ich es immer gehasst habe, Büros zu betreten, und dass mich gewisse Umstände trotzdem immer wieder zwangen, eben das zu tun, nämlich Büros aufzusuchen, mich dort anzumelden, meinen Namen zu sagen und mein Anliegen. Dass ich mich immer schon gefragt habe, was eigentlich mein Anliegen wäre und ob ich überhaupt so etwas haben könnte wie ein Anliegen. Währenddessen schaute ich zu dem Mann hinüber, der auf der Plattform am Geländer lehnte und rauchte, die Hand in die Hüfte gestemmt. Als ich nach der Türklinke griff, zwinkerte er mir zu. Er tat es, kurz bevor ich mich abwandte, gedanklich von meinem eigenen nicht auffindbaren Anliegen zum Allgemeinen wechselnd und den Mann dabei einbeziehend, weil er eben da war und ich ihn gerade anschaute. Er sah aus, als habe er überhaupt kein Anliegen. Zwinkerte aber. Komisch, dachte ich, als ich das Büro betrat, um mich anzumelden und mein Anliegen vorzutragen, und vergaß den Mann erst einmal wieder. Es war Wessing.
    Ich wurde als Sortierer ordnungsgemäß bei der Firma Klemm eingestellt. Im Grunde war das nicht mein Anliegen gewesen. Mein Anliegen war es, den Sprit für meinen Subaru und die Karte für das Handy wieder bezahlen zu können. Das stimmte natürlich so auch nicht. Es gab in meinem Leben einiges, woraus man ein Anliegen hätte machen können, aber diese anderen, schwieriger zu lösenden Probleme verdienten Aufschub. Probleme aufzuschieben fiel mir nicht schwer, Lea hätte das sofort bestätigt. Sie tauchte ohnehin ständig vor meinem inneren Auge auf, aber ich entschied mich dafür, sie nicht anzusprechen, ich ließ es aus gutem Grund bei einem Standbild bewenden, dieses Standbild zeigte sie mir am Frühstückstisch. Sie öffnete gerade ein Ei. Mit ihren kleinen, sorgfältig manikürten Kinderhänden.
    Bei Klemm war es jedenfalls nicht schwierig, zu tun, was man mir auftrug. Ich sollte Metall sortieren. Eisen, Zink, Aluminium und Kupfer waren die Metalle, die vorkamen. Ein Kran machte die grobe Arbeit, wuchtete ausgediente Maschinen und sperriges Gerät in die Höhe, zog es hierhin und dorthin und ließ es, wenn der rechte Ort dafür gefunden war, ein paarmal in zerstörerischer Absicht auf die Erde hinunterkrachen. Anschließend packte der Kran noch einmal zu und lud die Bruchstücke in die Container.
    Den Kran bediente der genervte Mann, der mich eingewiesen hatte, er hieß Herms. Herms, bei Klemm hatte er nur einen Nachnamen, wirkte wie jemand, der einmal verschüttet gewesen ist und dauernd aufpassen muss, dass er nicht wieder unter irgendetwas begraben wird. Ein abgestürzter Engel. Seine typische Handbewegung war Abwinken. Er sprach nicht gern, seine eigenen gesprochenen Worte schienen ihn zu irritieren, deshalb ließ er es meistens bei einem einzigen bewenden. »Morgen!« oder »Tschüss!«, anschließend verscheuchte er das Wort mit einem Kopfschütteln wie eine Wespe.
    Meine Aufgabe also bestand darin, die Feinarbeit zu machen, nachdem Herms die grobe erledigt hatte. Es dauerte nicht lange, bis ich herausfand, dass das auch die Drecksarbeit war. Um an das Kupfer heranzukommen, mussten die Metallgehäuse der Generatoren und Elektromotoren zerlegt werden. Dafür standen mir ein Ratschenkasten, eine Brechstange und eine Trennscheibe zur Verfügung. Dann sollte ich das zutage geförderte Buntmetall und die abgetrennten Teile in die passenden Container werfen. Die Container wurden, wenn sie voll waren, von Lastern abgeholt, die sie in die Schmelze fuhren.
    Eine vom Grunde her sinnvolle und deshalb auch gute Arbeit, dachte ich,
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