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Der gute Mensch von Sezuan

Der gute Mensch von Sezuan

Titel: Der gute Mensch von Sezuan
Autoren: Hermann Hesse
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hinauf?
    SHEN TE Aber ihr dürft nicht laut reden. Kann man mit ihnen offen sprechen?
    WANG Nein! Sie dürfen von deinem Gewerbe nichts erfahren! Wir warten lieber unten. Aber du gehst nicht weg mit ihm?
    SHEN TE Es geht mir nicht gut, und wenn ich bis morgen früh meine Miete nicht zusammen habe, werde ich hinausgeworfen.
    WANG In solch einem Augenblick darf man nicht rechnen.
    SHEN TE Ich weiß nicht, der Magen knurrt leider auch, wenn der Kaiser Geburtstag hat. Aber gut, ich will sie aufnehmen. Man sieht sie das Licht löschen.
    DER ERSTE GOTT Ich glaube, es ist aussichtslos.
    Sie treten zu Wang.
    WANG erschrickt, als er sie hinter sich stehen sieht: Das Quartier ist beschafft. Er trocknet sich den Schweiß ab.
    DIE GÖTTER Ja? Dann wollen wir hingehen.
    WANG Es hat nicht solche Eile. Laßt euch ruhig Zeit. Das Zimmer wird noch in Ordnung gebracht.
    DER DRITTE GOTT So wollen wir uns hierhersetzen und warten.
    WANG Aber es ist viel zuviel Verkehr hier, fürchte ich. Vielleicht gehen wir dort hinüber.
    DER ZWEITE GOTT Wir sehen uns gern Menschen an. Gerade dazu sind wir hier.
    WANG Nur: es zieht.
    DER DRITTE GOTT Ist es dir hier angenehm?
    Sie setzen sich auf eine Haustreppe. Wang setzt sich etwas abseits auf den Boden.
    WANG mit einem Anlauf: Ihr wohnt bei einem alleinstehenden Mädchen. Sie ist der beste Mensch von Sezuan.
    DER DRITTE GOTT Das ist schön.
    WANG zum Publikum: Als ich vorhin den Becher aufhob, sahen sie mich so eigentümlich an. Sollten sie etwas gemerkt haben? Ich wage ihnen nicht mehr in die Augen zu blicken.
    DER DRITTE GOTT Du bist sehr erschöpft.
    WANG Ein wenig. Vom Laufen.
    DER ERSTE GOTT Haben es die Leute hier sehr schwer?
    WANG Die guten schon.
    DER ERSTE GOTT ernst: Du auch?
    WANG Ich weiß, was ihr meint. Ich bin nicht gut. Aber ich habe es auch nicht leicht.
    Inzwischen ist ein Herr vor dem Haus Shen Tes erschienen und hat mehrmals gepfiffen. Wang ist jedesmal zusammengezuckt.
    DER DRITTE GOTT leise zu Wang: Ich glaube, jetzt ist er weggegangen.
    WANG verwirrt: Jawohl.
    Er steht auf und läuft auf den Platz, sein Traggerät zurücklassend. Aber es hat sich bereits folgendes ereignet: Der wartende Mann ist weggegangen und Shen Te, aus der Tür tretend und leise »Wang« rufend, ist, Wang suchend, die Straße hinuntergegangen. Als nun Wang leise »Shen Te« ruft, bekommt er keine Antwort.
    WANG Sie hat mich im Stich gelassen. Sie ist weggegangen, um ihre Miete zusammenzubekommen, und ich habe kein Quartier für die Erleuchteten. Sie sind müde und warten. Ich kann ihnen nicht noch einmal kommen mit: Es ist nichts! Mein eigener Unterschlupf, ein Kanalrohr, kommt nicht in Frage. Auch würden die Götter bestimmt nicht bei einem Menschen wohnen wollen, dessen betrügerische Geschäfte sie durchschaut haben. Ich gehe nicht zurück, um nichts in der Welt. Aber mein Traggerät liegt dort. Was machen? Ich wage nicht, es zu holen. Ich will weggehen von der Hauptstadt und mich irgendwo verbergen vor ihren Augen, da es mir nicht gelungen ist, für sie etwas zu tun, die ich verehre.
    Er stürzt fort.
    Kaum ist er fort, kommt Shen Te zurück, sucht auf der anderen Seite und sieht die Götter.
    SHEN TE Seid ihr die Erleuchteten? Mein Name ist Shen Te. Ich würde mich freuen, wenn ihr mit meiner Kammer vorliebnehmen wolltet.
    DER DRITTE GOTT Aber wo ist denn der Wasserverkäufer hin?
    SHEN TE Ich muß ihn verfehlt haben.
    DER ERSTE GOTT Er muß gemeint haben, du kämst nicht, und da hat er sich nicht mehr zu uns getraut.
    DER DRITTE GOTT nimmt das Traggerät auf: Wir wollen es bei dir einstellen. Er braucht es.
    Sie gehen, von Shen Te geführt, ins Haus.
    Es wird dunkel und wieder hell. In der Morgendämmerung treten die Götter wieder aus der Tür, geführt von Shen Te, die ihnen mit einer Lampe leuchtet. Sie verabschieden sich.
    DER ERSTE GOTT Liebe Shen Te, wir danken dir für deine Gastlichkeit. Wir werden nicht vergessen, daß du es warst, die uns aufgenommen hat. Und gib dem Wasserverkäufer sein Gerät zurück und sage ihm, daß wir auch ihm danken, weil er uns einen guten Menschen gezeigt hat.
    SHEN TE Ich bin nicht gut. Ich muß euch ein Geständnis machen: Als Wang mich für euch um Obdach anging, schwankte ich.
    DER ERSTE GOTT Schwanken macht nichts, wenn man nur siegt. Wisse, daß du uns mehr gabst als ein Nachtquartier. Vielen, darunter sogar einigen von uns Göttern, sind Zweifel aufgestiegen, ob es überhaupt noch gute Menschen gibt. Hauptsächlich um dies festzustellen, haben wir
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