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Der gute Mensch von Sezuan

Der gute Mensch von Sezuan

Titel: Der gute Mensch von Sezuan
Autoren: Hermann Hesse
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liebe Shen Te, wir haben gehört, daß es dir jetzt so gut geht. Du bist ja eine Geschäftsfrau geworden! Denk dir, wir sind eben ohne Bleibe! Unser Tabakladen ist eingegangen. Wir haben uns gefragt, ob wir nicht bei dir für eine Nacht unterkommen können. Du kennst meinen Neffen? Er ist mitgekommen, er trennt sich nie von uns.
    DER NEFFE sich umschauend: Hübscher Laden!
    DIE SHIN Was sind denn das für welche?
    SHEN TE Als ich vom Land in die Stadt kam, waren sie meine ersten Wirtsleute.
    Zum Publikum: Als mein bißchen Geld ausging, hatten sie mich auf die Straße gesetzt. Sie fürchten vielleicht, daß ich jetzt nein sage. Sie sind arm.
    Sie sind ohne Obdach.
    Sie sind ohne Freunde.
    Sie brauchen jemand. Wie könnte man da nein sagen?
    Freundlich zu den Ankömmlingen: Seid willkommen! Ich will euch gern Obdach geben. Allerdings habe ich nur ein kleines Kämmerchen hinter dem Laden.
    DER MANN Das genügt uns. Mach dir keine Sorge. Während Shen Te Tee bringt. Wir lassen uns am besten hier hinten nieder, damit wir dir nicht im Weg sind. Du hast wohl einen Tabakladen in Erinnerung an dein erstes Heim gewählt? Wir werden dir einige Winke geben können. Das ist auch der Grund, warum wir zu dir kommen.
    DIE SHIN höhnisch: Hoffentlich kommen auch Kunden?
    DIE FRAU Das geht wohl auf uns?
    DER MANN Psst! Da ist schon ein Kunde!
    Ein abgerissener Mann tritt ein.
    DER ABGERISSENE MANN Entschuldigen Sie. Ich bin arbeitslos.
    Die Shin lacht.
    SHEN TE Womit kann ich Ihnen dienen?
    DER ARBEITSLOSE Ich höre, Sie eröffnen morgen. Da dachte ich, beim Auspacken wird manchmal etwas beschädigt. Haben Sie eine Zigarette übrig?
    DIE FRAU Das ist stark, Tabak zu betteln! Wenn es noch Brot wäre!
    DER ARBEITSLOSE Brot ist teuer. Ein paar Züge aus einer Zigarette, und ich bin ein neuer Mensch. Ich bin so kaputt.
    SHEN TE gibt ihm Zigaretten: Das ist wichtig, ein neuer Mensch zu sein. Ich will meinen Laden mit Ihnen eröffnen, Sie werden mir Glück bringen.
    Der Arbeitslose zündet sich schnell eine Zigarette an, inhaliert und geht hustend ab.
    DIE FRAU War das richtig, liebe Shen Te?
    DIE SHIN Wenn Sie den Laden so eröffnen, werden Sie ihn keine drei Tage haben.
    DER MANN Ich wette, er hatte noch Geld in der Tasche.
    SHEN TE Er sagte doch, daß er nichts hat.
    DER NEFFE Woher wissen Sie, daß er Sie nicht angelogen hat?
    SHEN TE aufgebracht: Woher weiß ich, daß er mich angelogen hat!
    DIE FRAU kopfschüttelnd: Sie kann nicht nein sagen! Du bist zu gut, Shen Te! Wenn du deinen Laden behalten willst, mußt du die eine oder andere Bitte abschlagen können.
    DER MANN Sag doch, er gehört dir nicht. Sag, er gehört einem Verwandten, der von dir genaue Abrechnung verlangt. Kannst du das nicht?
    DIE SHIN Das könnte man, wenn man sich nicht immer als Wohltäterin aufspielen müßte.
    SHEN TE lacht: Schimpft nur! Ich werde euch gleich das Quartier aufsagen, und den Reis werde ich zurückschütten!
    DIE FRAU entsetzt: Ist der Reis auch von dir?
    SHEN TE zum Publikum:
    Sie sind schlecht.
    Sie sind niemandes Freund.
    Sie gönnen keinem einen Topf Reis.
    Sie brauchen alles selber.
    Wer könnte sie schelten?
    Herein ein kleiner Mann.
    DIE SHIN sieht ihn und bricht hastig auf: Ich sehe morgen wieder her. Ab.
    DER KLEINE MANN ruft ihr nach: Halt, Frau Shin! Sie brauche ich gerade!
    DIE FRAU Kommt die regelmäßig? Hat sie denn einen Anspruch an dich?
    SHEN TE Sie hat keinen Anspruch, aber sie hat Hunger: das ist mehr.
    DER KLEINE MANN Die weiß, warum sie rennt. Sind Sie die neue Ladeninhaberin? Ach, Sie packen schon die Stellagen voll. Aber die gehören Ihnen nicht, Sie! Außer Sie bezahlen sie! Das Lumpenpack, das hier gesessen ist, hat sie nicht bezahlt. Zu den andern: Ich bin nämlich der Schreiner.
    SHEN TE Aber ich dachte, das gehört zur Einrichtung, die ich bezahlt habe?
    DER SCHREINER Betrug! Alles Betrug! Sie stecken natürlich mit dieser Shin unter einer Decke! Ich verlange meine 100 Silberdollar, so wahr ich Lin To heiße.
    SHEN TE Wie soll ich das bezahlen, ich habe kein Geld mehr!
    DER SCHREINER Dann lasse ich Sie einsteigern! Sofort! Sie bezahlen sofort, oder ich lasse Sie einsteigern!
    DER MANN souffliert Shen Te: Vetter!
    SHEN TE Kann es nicht im nächsten Monat sein?
    DER SCHREINER schreiend: Nein!
    SHEN TE Seien Sie nicht hart, Herr Lin To. Ich kann nicht allen Forderungen sofort nachkommen. Zum Publikum:
    Ein wenig Nachsicht und die Kräfte verdoppeln sich.
    Sieh, der Karrengaul hält vor einem Grasbüschel:
    Ein
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