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Der gute Mensch von Sezuan

Der gute Mensch von Sezuan

Titel: Der gute Mensch von Sezuan
Autoren: Hermann Hesse
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unsere Reise angetreten. Freudig setzen wir sie jetzt fort, da wir einen schon gefunden haben. Auf Wiedersehen!
    SHEN TE Halt, Erleuchtete, ich bin gar nicht sicher, daß ich gut bin. Ich möchte es wohl sein, nur, wie soll ich meine Miete bezahlen? So will ich es euch denn gestehen: ich verkaufe mich, um leben zu können, aber selbst damit kann ich mich nicht durchbringen, da es so viele gibt, die dies tun müssen. Ich bin zu allem bereit, aber wer ist das nicht? Freilich würde ich glücklich sein, die Gebote halten zu können der Kindesliebe und der Wahrhaftigkeit. Nicht begehren meines Nächsten Haus, wäre mir eine Freude, und einem Mann anhängen in Treue, wäre mir angenehm. Auch ich möchte aus keinem meinen Nutzen ziehen und den Hilflosen nicht berauben. Aber wie soll ich dies alles? Selbst wenn ich einige Gebote nicht halte, kann ich kaum durchkommen.
    DER ERSTE GOTT Dies alles, Shen Te, sind nichts als die Zweifel eines guten Menschen.
    DER DRITTE GOTT Leb wohl, Shen Te! Grüße mir auch den Wasserträger recht herzlich. Er war uns ein guter Freund.
    DER ZWEITE GOTT Ich fürchte, es ist ihm schlecht bekommen.
    DER DRITTE GOTT Laß es dir gut gehn!
    DER ERSTE GOTT Vor allem sei gut, Shen Te! Leb wohl!
    Sie wenden sich zum Gehen. Sie winken schon.
    SHEN TE angstvoll: Aber ich bin meiner nicht sicher, Erleuchtete. Wie soll ich gut sein, wo alles so teuer ist?
    DER ZWEITE GOTT Da können wir leider nichts tun. In das Wirtschaftliche können wir uns nicht mischen.
    DER DRITTE GOTT Halt! Wartet einen Augenblick! Wenn sie etwas mehr hätte, könnte sie es vielleicht eher schaffen.
    DER ZWEITE GOTT Wir können ihr nichts geben. Das könnten wir oben nicht verantworten.
    DER ERSTE GOTT Warum nicht?
    Sie stecken die Köpfe zusammen und diskutieren aufgeregt.
    DER ERSTE GOTT zu Shen Te, verlegen: Wir hören, du hast deine Miete nicht zusammen. Wir sind keine armen Leute und bezahlen natürlich unser Nachtlager! Hier! Er gibt ihr Geld. Sprich aber zu niemand darüber, daß wir bezahlten. Es könnte mißdeutet werden.
    DER ZWEITE GOTT Sehr.
    DER DRITTE GOTT Nein, das ist erlaubt. Wir können ihr ruhig unser Nachtlager bezahlen. In dem Beschluß stand kein Wort dagegen. Also auf Wiedersehen!
    Die Götter schnell ab.

1
Ein kleiner Tabakladen
    Der Laden ist noch nicht ganz eingerichtet und noch nicht eröffnet.
    SHEN TE zum Publikum: Drei Tage ist es her, seit die Götter weggezogen sind. Sie sagten, sie wollten mir ihr Nachtlager bezahlen. Und als ich sah, was sie mir gegeben hatten, sah ich, daß es über tausend Silberdollar waren. – Ich habe mir mit dem Geld einen Tabakladen gekauft. Gestern bin ich hier eingezogen, und ich hoffe, jetzt viel Gutes tun zu können. Da ist zum Beispiel die Frau Shin, die frühere Besitzerin des Ladens. Schon gestern kam sie und bat mich um Reis für ihre Kinder. Auch heute sehe ich sie wieder über den Platz kommen mit ihrem Topf.
    Herein die Shin. Die Frauen verbeugen sich voreinander.
    SHEN TE Guten Tag, Frau Shin.
    DIE SHIN Guten Tag, Fräulein Shen Te. Wie gefällt es Ihnen in Ihrem neuen Heim?
    SHEN TE Gut. Wie haben Ihre Kinder die Nacht zugebracht?
    DIE SHIN Ach, in einem fremden Haus, wenn man diese Baracke ein Haus nennen darf. Das Kleinste hustet schon.
    SHEN TE Das ist schlimm.
    DIE SHIN Sie wissen ja gar nicht, was schlimm ist, Ihnen geht es gut. Aber Sie werden noch allerhand Erfahrungen machen hier in dieser Bude. Dies ist ein Elendsviertel.
    SHEN TE Mittags kommen doch, wie Sie mir sagten, die Arbeiter aus der Zementfabrik?
    DIE SHIN Aber sonst kauft kein Mensch, nicht einmal die Nachbarschaft.
    SHEN TE Davon sagten Sie mir nichts, als Sie mir den Laden verkauften.
    DIE SHIN Machen Sie mir nur nicht jetzt auch noch Vorwürfe! Zuerst rauben Sie mir und meinen Kindern das Heim und dann heißt es eine Bude und Elendsviertel. Das ist der Gipfel. Sie weint.
    SHEN TE schnell: Ich hole Ihnen gleich den Reis.
    DIE SHIN Ich wollte Sie auch bitten, mir etwas Geld zu leihen.
    SHEN TE während sie ihr den Reis in den Topf schüttet: Das kann ich nicht. Ich habe doch noch nichts verkauft.
    DIE SHIN Ich brauche es aber. Von was soll ich leben? Sie haben mir alles weggenommen. Jetzt drehen Sie mir die Gurgel zu. Ich werde Ihnen meine Kinder vor die Schwelle setzen, Sie Halsabschneiderin! Sie reißt ihr den Topf aus den Händen.
    SHEN TE Seien Sie nicht so zornig! Sie schütten noch den Reis aus!
    Herein ein ältliches Paar und ein schäbig gekleideter Mensch.
    DIE FRAU Ach, meine
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