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Der grüne Stern

Der grüne Stern

Titel: Der grüne Stern
Autoren: Lin Carter
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weite, überkuppelte Audienzhalle mit Bodenplatten aus milchiggrüner Jade. Schräg einfallendes Licht brach sich tausendfach in den Facetten großer Rubine und Topase, die das Kuppelgewölbe bedeckten. Hier wurden die Ankömmlinge von einer prächtig gewandeten und geschmückten Hofgesellschaft erwartet – dem Hofstaat einer Prinzessin aus dem Märchenland oder einer Feenkönigin. Aber sie standen unbewegt und mit verschlossenen Gesichtern, die unergründlichen Elfenaugen auf dem hochgewachsenen Mann im schwefelgelben Gewand, der weder nach rechts noch nach links blickte, jeder Zoll ein Herrscher, dessen Wort Gesetz ist.
    Keiner der Höflinge verbeugte sich oder machte eine Ehrenbezeigung, als der Fremde mit seinem kleinen Gefolge vorbeischritt. Ein seltsames und düsteres Drama schien sich hier abzuspielen, und dieser Eindruck verstärkte sich, als ich die Gesichter der Hofgesellschaft genauer beobachtete. In vielen von ihnen, besonders denen der Frauen, spiegelten sich Furcht und sogar Verzweiflung.
    In der Mitte der großen Halle stand ein Thron auf einem Sockel aus Bergkristall, ein fast zierlich anmutender Sessel mit hoher Lehne und schlanken, vergoldeten Beinen, deren geschweifte Formen große Ähnlichkeit mit einem barocken Sitzmöbel aus der Zeit Ludwigs des Vierzehnten hatten.
    Der Thron stand leer. Herolde, die langen silbernen Fanfaren gegen ihre Hüften gestemmt, warteten in einem Halbkreis hinter dem leeren Thron. Ein kahlköpfiger, dicker Hofmarschall in königlichem Purpur trat nach vorn und verbeugte sich steif vor dem hochmütigen Mann in Gelb und Schwarz.
    Darauf folgte eine längere Pause. Ich konnte nicht hören, ob etwas gesagt wurde, aber ich fühlte, daß diese Pause nicht von Worten, sondern von einer gespannten, fast schmerzhaften Stille beherrscht sein mußte.
    Und dann hoben die Herolde ihre Fanfaren.
    Wie ein Feld von prächtigen Blumen unter einem Windstoß in Bewegung gerät, die sich vor ihm beugen, so sank die ganze farbenfrohe und brillantenfunkelnde Gesellschaft ehrfurchtsvoll vor der jungen Frau nieder, die nun aus einem Seiteneingang trat. Sie rauschte an ihrem knienden Hofstaat vorüber, erstieg die hohen Stufen des Sockels und ließ sich auf den golden Thronsessel nieder.
    Und zum erstenmal sah ich nun die unglaubliche, die überwältigende Schönheit Niamhs – Niamhs von Phaolon, Gottkönigin der Juwelenstadt!
    Niamh – die Königin des grünen Sterns. Und von diesem ersten, atemlosen Moment bis zum letzten Augenblick meines Lebens Königin meines Herzens!

4. Die Prinzessin der Juwelenstadt
    Sie war jung, ein Mädchen, kaum mehr als ein Kind. Sie sah wie fünfzehn oder sechzehn aus, als ich sie zuerst in der großen Palasthalle von Phaolon auf ihrem goldenen Thronsessel sitzen sah. Biegsam und anmutig, mit kleinen Brüsten und langen, schlanken Beinen, hatte sie die noch ungelenke Grazie einer Heranwachsenden, die in rührender Weise mit ihrer königlichen Würde kontrastierte.
    Sie trug ein langes, bis zu den Hüften enganliegendes Kleid aus silberdurchwirkter schwerer Seide mit angesetzten Puffärmeln und einem weiten, faltenreichen Rock, der sich wie die Blütenblätter einer weichen, lieblichen Blume bauschte. Dieser Rock war an den Seiten geschlitzt und zeigte, wenn sie sich bewegte, die seidige Haut ihrer wohlgeformten langen Beine, und unter dem reich bestickten Saum konnte man die kleinen, zierlichen Füße sehen, die in golddurchwirkten Brokatpantoffeln steckten. Niamh war die einzige in dieser prächtigen Hofgesellschaft, die keinen Schmuck trug, nicht einmal einen Ring. Sie bedurfte nicht des gefrorenen Feuers von Mineralien, um ihrer Lieblichkeit Brillanz zu verleihen.
    Ihr Gesicht war feinknochig, von elfenhafter Zartheit. Die großen Augen unter den zierlich geschwungenen Brauen waren wie unergründliche bernsteinfarbene Brunnen, in denen goldene Lichtpunkte zitterten. Lange dunkle Wimpern überschatteten das dunkle Feuer ihrer Augen, aber ihr Haar, kunstvoll bearbeitet und frisiert, war weiß wie gesponnenes Silber. Ihr Mund glich einer schwellenden Rosenknospe, feucht und verführerisch.
    Niamh die Schöne war eine zarte Blume von atemberaubender Faszination, wie sie dort auf ihrem vergoldeten Thronsessel saß, gebadet in den rubinroten Lichtreflexen der Kuppel über ihr.
    Der rundliche Hofmarschall stieß seinen großen silbernen Amtsstab auf die Jadeplatten des Bodens, und es begann eine Szene dramatischer Konfrontation, die mich verwirrte und ärgerte,
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