Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Der Grosse Eisenbahnraub: Roman

Titel: Der Grosse Eisenbahnraub: Roman
Autoren: Michael Crichton
Vom Netzwerk:
acht.«
    »Also gut.«
    Der Herr mit dem roten Bart gab ihm eine Fünf-Pfund-Note und erklärte ihm, den Rest werde er nach getaner Arbeit erhalten.
    »Worum geht’s denn überhaupt?« fragte Teddy Burke.
    »Persönliche Angelegenheit«, erwiderte der Fremde und entschwand in der Menge.

Das »Heilige Land«
    Zwischen 1801 und 1851 dehnte sich das Stadtgebiet Londons auf das Dreifache aus. Mit zweieinhalb Millionen Einwohnern war es nunmehr die weitaus größte Stadt der Welt, und jeder ausländische Besucher zeigte sich über ihre Ausdehnung erstaunt. Nathaniel Hawthorne war sprachlos; Henry James war fasziniert und entsetzt angesichts dieser »erschreckend vielen Menschen«; Dostojewski fand die Stadt »riesig wie einen Ozean … Sie ist eine biblische Vision, eine Prophetie der Apokalypse, die sich vor unseren Augen erfüllt.«
    Dabei wuchs London immer noch weiter. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts waren ständig etwa viertausend neue Wohnungen gleichzeitig im Bau. Die Stadt platzte buchstäblich aus allen Nähten. Die heute vertraute Zersiedelung gab es schon damals und wurde als »Flucht in die Vororte« bezeichnet. Randgebiete der Stadt, die zu Beginn des Jahrhunderts noch Dörfer und kleine Marktflecken gewesen waren – Marylebone, Islington, Camden, St. John’s Wood und Bethnal Green –, präsentierten sich nun als vollständig bebaute Stadtbezirke. Der seit kurzem zu einigem Wohlstand gelangte Mittelstand floh aus der Innenstadt, um sich in diesen Gebieten anzusiedeln, wo die Luft besser war, der Lärm weniger lästig und das Leben allgemein angenehmer und »ländlicher«.
    Einige der älteren Bezirke Londons hatten natürlich ihre durch große Eleganz und Wohlhabenheit geprägte Eigenart bewahrt, aber diese Viertel grenzten oft unmittelbar an die abstoßendsten und erschreckendsten Slums. Das unmittelbare Nebeneinander von großem Reichtum und abgrundtiefem Elend beeindruckte auch ausländische Besucher, dies besonders deshalb, weil diese Elendsviertel Zufluchtsort und Brutstätte der sogenannten »kriminellen Klasse« waren. Es gab Bezirke in London, in denen ein Dieb nach einem Einbruch in ein vornehmes Haus nur die Straße zu überqueren brauchte und in einem unübersehbaren Gewirr enger Gassen und baufälliger Häuser untertauchen konnte. Diese Gegenden waren so vollgestopft mit Menschen und so gefährlich, daß nicht einmal ein bewaffneter Polizist einen Übeltäter bis hierher zu verfolgen wagte.
    Wie Elendsviertel entstehen, wurde damals nur von sehr wenigen erkannt; der Begriff »Slum« setzte sich erst um 1890 allgemein durch. Die uns heute vertraute Entwicklung wurde aber bereits vage gesehen: Ein bestimmtes Viertel wurde durch neuerbaute Straßenzüge von der übrigen Stadt abgeschnitten; der Verkehrsstrom wurde an diesem Viertel vorbeigelenkt, Geschäfte schlossen; andernorts unerwünschte Industriebetriebe siedelten sich jetzt hier an, die viel Lärm machten, die Luft verschmutzten und die Attraktivität des Viertels weiter verringerten; am Ende mied jeder dieses Viertel, der die Mittel besaß, woanders zu wohnen; das Viertel verfiel, Häuser und Straßen wurden nicht mehr gepflegt.
    Damals wie heute existierten diese Slums zum Teil auch, weil sie für Hauswirte profitabel waren. In einem Haus mit acht Räumen wohnten oft bis zu hundert Logiergäste, von denen jeder einen oder zwei Shilling wöchentlich zu entrichten hatte, um dann in »kunterbunter Promiskuität« zu leben. Bis zu
    zwanzig Angehörige des gleichen oder verschiedenen Geschlechts schliefen in einem Raum. (Die wohl bizarrsten Logierhäuser der damaligen Zeit waren die im Hafen gelegenen penny hangs für Seeleute. Hier konnte ein betrunkener Seemann für einen Penny nächtigen. Die Männer legten die Arme über in Brusthöhe angebrachte Seile und hängten dann dort wie Wäschestücke auf der Leine.) Während manche der Eigentümer dieser Logierhäuser oder Nachtasyle in dem gleichen Viertel lebten – und statt des Mietzinses oft gestohlenes Gut annahmen –, zogen andere Hauswirte, die als angesehene Bürger galten, es vor, woanders zu wohnen. Sie hielten sich den Elendsvierteln fern und überließen es irgendeinem rauhbeinigen Stellvertreter, die Mieten einzutreiben und die Häuser notdürftig oder nur zum Schein in Ordnung zu halten.
    Es gab in jener Zeit verschiedene berüchtigte Elendsviertel, Seven Dials, Rosemary Lane, Jacob’s Island oder Ratcliffe Highway; aber keines war bekannter als die sechs Acres im Herzen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher