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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo
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durch einen natürlichen Ausschnitt gebildet wurde. Die Barke berührte einen Grund von feinem Sand. Der junge Mann stieg aus und suchte mit seinen Augen um sich her den Weg, denn es war bereits völlig Nacht.
    In dem Augenblick, wo er den Kopf umwandte, ruhte eine Hand auf seiner Schulter, und eine Stimme ließ ihn erbeben.
    Guten Abend, Maximilian, sagte diese Stimme, Sie sind sehr pünktlich, und ich danke Ihnen.
    Sie sind es, Graf! rief der junge Mann mit einer freudigen Bewegung und mit seinen beiden Händen die Hand Monte Christos drückend.
    Ja, wie Sie sehen, nicht minder pünktlich; doch Sie triefen, lieber Freund. Sie müssen die Kleider wechseln, es findet sich hier eine für Sie bereitstehende Wohnung, in der Sie Müdigkeit und Kälte vergessen werden, sagte Monte Christo lächelnd.
    Maximilian schaute den Grafen voll Erstaunen an.
    Wie, sagte er, Sie sind hier nicht mehr derselbe, der Sie in Paris waren?
    Warum dies?
    Ja, hier lächeln Sie.
    Monte Christos Stirn verdüsterte sich plötzlich, und er sagte: Sie haben recht, daß Sie mich an mich selbst erinnern, Maximilian; Sie wiederzusehen war ein Glück für mich, und ich vergaß, daß jedes Glück vorübergehend ist.
    Oh! nein, nein, Graf, rief Morel, abermals die beiden Hände seines Freundes ergreifend; lachen Sie im Gegenteil, seien Sie glücklich, und beweisen Sie mir, daß das Leben nur für die Leidenden schlecht ist. Oh! Sie sind menschenfreundlich, Sie sind gut, Sie sind groß, mein Freund, und um mir Mut zu verleihen, heucheln Sie diese Heiterkeit.
    Sie täuschen sich, Morel, erwiderte Monte Christo, ich war in der Tat glücklich.
    Dann ist es um so besser, Sie vergessen mich.
    Wieso?
    Ja, denn Sie wissen, Freund, wie der Gladiator, der in den Zirkus trat, den erhabenen Kaiser begrüßte, so sage ich zu Ihnen: Der den Tod erleiden wird, grüßt dich.
    Sie sind nicht getröstet? fragte Monte Christo mit einem seltsamen Blicke.
    Haben Sie wirklich geglaubt, ich könnte es sein? rief Morel mit einem Tone voll Bitterkeit. Graf, hören Sie mich: Ich bin zu Ihnen gekommen, um in den Armen eines Freundes zu sterben. Allerdings gibt es noch Menschen, die ich liebe; ich liebe meine Schwester Julie, ich liebe ihren Gatten Emanuel; aber für mich ist es Bedürfnis, daß man mir starke Arme öffnet, daß man mir in meinen letzten Augenblicken zulächelt. Meine Schwester würde in Tränen zerfließen und ohnmächtig werden; ich würde sie leiden sehen und habe selbst genug gelitten. Emanuel würde mir die Waffe aus den Händen reißen und das Haus mit seinem Geschrei erfüllen. Sie, Graf, dessen Wort ich habe, Sie, der Sie mehr als ein Mensch sind, Sie werden mich sanft und zärtlich bis zu den Pforten des Todes geleiten? Oh! Graf, wie sanft und wollüstig werde ich im Tode ruhen!
    Morel sprach diese letzten Worte mit einem Ausdrucke von Energie, der den Grafen beben ließ.
    Mein Freund, fuhr Morel fort, als er sah, daß der Graf schwieg, Sie haben mir den fünften Oktober als das Ende der Frist bezeichnet, die Sie von mir verlangen ... Mein Freund, heute ist der fünfte Oktober ...
    Morel zog seine Uhr.
    Es ist neun Uhr, ich habe noch drei Stunden zu leben.
    Es sei! sagte Monte Christo, kommen Sie!
    Morel folgte mechanisch dem Grafen, und sie waren bereits in der Grotte, ehe es Maximilian bemerkte.
    Er fand Teppiche unter seinen Füßen, eine Tür öffnete sich, Wohlgerüche umhüllten ihn, ein lebhaftes Licht traf seine Augen. Morel zögerte, weiterzugehen, und blieb stehen; er mißtraute den entnervenden Sinnenreizen, die ihn umgaben.
    Monte Christo zog ihn sanft vorwärts und sagte: Geziemt es sich nicht, daß wir die drei Stunden, die uns noch bleiben, wie die alten Römer verwenden, die, von Nero, ihrem Kaiser und Erben, zum Tode verurteilt, sich mit Blumen bekränzt zu Tische setzten und den Tod mit dem Wohlgeruch von Heliotropen und Rosen einatmeten?
    Morel lächelte.
    Wie Sie wollen, sagte er; der Tod bleibt immer der Tod, das heißt die Ruhe, das heißt die Abwesenheit des Lebens nd folglich des Schmerzes. Er setzte sich, Monte Christo nahm seinen Platz ihm gegenüber.
    Man befand sich in dem wundervollen, bereits von uns beschriebenen Speisesaal, wo Marmorstatuen auf ihren Häuptern stets mit Blumen und Früchten gefüllte Körbchen trugen.
    Morel hatte alles flüchtig angeschaut und ohne Zweifel nichts gesehen. Reden wir als Männer! sagte er mit einem Blicke auf den Grafen.
    Sprechen Sie!
    Graf, Sie sind der Inbegriff aller menschlichen
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