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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo
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Kenntnisse, und Ihr Wesen macht den Eindruck auf mich, als kämen Sie aus einer Welt, die weiter vorgerückt und reicher ist, als die unsrige.
    Es ist etwas Wahres daran. Morel, sagte der Graf mit jenem schwermütigen Lächeln, das ihn so schön erscheinen ließ; ich bin von einem Planeten herabgestiegen, den man den Schmerz nennt.
    Ich glaube alles, was Sie mir sagen, ohne daß ich den Sinn davon zu ergründen suche. Zum Beweise hierfür mag dienen: Sie hießen mich leben, und ich lebte; Sie hießen mich hoffen, und ich hoffte beinahe. Ich wage es daher, Graf, sie zu fragen, als ob Sie schon einmal tot gewesen wären: Graf, tut das wehe?
    Monte Christo schaute Morel mit unbeschreiblicher Zärtlichkeit an und erwiderte: Ja, allerdings, es tut sehr wehe. Wenn Sie auf eine rohe Weise die sterbliche Hülle zerreißen, die hartnäckig zu leben verlangt; wenn Sie Ihr Fleisch unter den unmerklichen Zähnen eines Dolches aufschreien lassen; wenn Sie mit einer unverständigen Kugel Ihr Hirn durchbohren, das bei dem geringsten Stoße von Schmerzen befallen wird, – so werden Sie sicher leiden und mit Widerwillen das Leben verlassen, das Sie mitten unter Ihrem verzweiflungsvollen Todeskampfe immer noch schöner finden, als eine so teuer erkaufte Ruhe.
    Ja, ich begreife, sagte Morel; der Tod hat wie das Leben seine Geheimnisse des Schmerzes und der Wollust, und es kommt nur darauf an, sie kennen zu lernen.
    Ganz richtig, Maximilian, Sie haben das große Wort ausgesprochen. Der Tod ist, je nachdem wir uns gut oder schlimm mit ihm stellen, entweder ein Freund, der uns ebenso sanft wiegt, wie eine Amme, oder ein Feind, der uns mit Gewalt die Seele aus dem Leibe reißt. Eines Tags, wenn unsere Welt noch tausend Jahre gelebt, wenn man sich aller zerstörenden Kräfte der Natur bemächtigt haben wird, um sie der allgemeinen Wohlfahrt der Menschheit dienstbar zu machen; wenn der Mensch einmal die Geheimnisse des Todes kennt, – wird dieser ebenso sanft, ebenso wollüstig sein, wie der Schlummer in den Armen unserer Geliebten.
    Und wenn Sie sterben wollten, wüßten Sie so zu sterben? – Ja.
    Morel reichte ihm die Hand und sagte: Ich begreife nun, warum Sie mich hierher beschieden haben, auf diese einsame Insel, mitten in den Ozean, in diesen unterirdischen Palast ... ein Grab, das den Neid eines Pharao erregt haben würde; es geschah dies, weil Sie mich liebten, nicht wahr, Graf? Weil Sie mich hinreichend lieben, um mir einen Tod ohne Kampf zu gönnen, einen Tod, der mir gestattet, zu sterben, während ich den Namen Valentine ausspreche und Ihnen die Hand drücke?
    Ja, Sie haben richtig erraten, Morel, sagte der Graf einfach, dies war meine Absicht.
    Ich danke; die Hoffnung, daß ich morgen nicht mehr leben werde, ist so süß für mein armes Herz.
    Bedauern Sie keinen Verlust? fragte Monte Christo.
    Nein! antwortete Morel.
    Bedauern Sie nicht, von mir scheiden zu müssen? fragte der Graf mit tiefer Rührung.
    Morel hielt inne. Sein so reines Auge trübte sich plötzlich und glänzte dann wieder in ungewöhnlichem Feuer, eine große Träne strömte hervor und rollte an seiner Wange herab.
    Wie! rief der Graf, Sie beklagen den Verlust von irgend etwas auf Erden und wollen sterben?
    Oh! Ich flehe Sie an! rief Morel mit mattem Tone, kein Wort mehr, verlängern Sie meine Qualen nicht, Graf.
    Hören Sie, Morel, sagte der Graf, im innersten Herzen bewegt, Ihr Schmerz ist ungeheuer, das sehe ich; aber dennoch glauben Sie an Gott und setzen das Heil Ihrer Seele nicht aufs Spiel!
    Morel lächelte traurig und erwiderte: Graf, ich schwöre Ihnen, meine Seele gehört nicht mehr mir.
    Hören Sie, Morel, ich habe keine Verwandten auf der Welt, ich habe mich daran gewöhnt, Sie als meinen Sohn zu betrachten; um meinen Sohn zu retten, würde ich mein Leben und noch viel mehr mein Vermögen opfern.
    Was wollen Sie damit sagen?
    Ich will damit sagen, Morel, daß Sie das Leben verlassen, weil Sie nicht alle Genüsse kennen, die es einem großen Vermögen verheißt. Morel, ich besitze hundert Millionen: mit einem solchen Vermögen können Sie jedes Ziel erreichen, das Sie sich vorsetzen. Sind Sie ehrgeizig? Jede Laufbahn ist Ihnen geöffnet. Setzen Sie die Welt in Aufruhr, vollführen Sie wahnsinnige Streiche, seien Sie ein Verbrecher, wenn es sein muß, aber leben Sie.
    Graf, ich habe Ihr Wort, erwiderte Morel kalt, und, fügte er, seine Uhr ziehend, hinzu, es ist halb zwölf Uhr.
    Morel! Bedenken Sie auch, unter meinen Augen, in meinem Hause?
    Dann
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