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Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter
Autoren: Jack London
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endlich das mächtige Gebrüll von Mord und die Rachewoge, die über ihm zusammenschlug und die ganze Stadt rasend hinter ihm hertrieb.
    »Die Hölle ist losgelassen«, spottete er, während er sich in der Dunkelheit seitwärts wandte und ans Ufer stürzte.
    In den offenen Türen schimmerte Licht, und aus Zelten, Hütten und Tanzlokalen kamen die Leute herausgeschossen, um sich an der wilden Jagd zu beteiligen. Die Rufe der Männer und das Heulen der Hunde erklang in seinen Ohren und trieb ihn noch mehr an. Er lief. Die Geräusche wurden undeutlicher, und die Verfolger verstreuten sich in unnützer Wut und zwecklosem Suchen. Aber ein Schatten heftete sich an seine Fersen. Er warf einen Blick über die Schulter zurück und sah ihn – bald, wie sich seine unsicheren Umrisse von einem großen, freien Schneefeld abzeichneten, bald, wie er mit dem tieferen Schatten einer Hütte oder mit dem eines an Land gezogenen Bootes verschwamm.
    Vor Schwäche fluchte Fortune la Pearle wie ein Weib, fast mit Tränen in der Stimme, eine Folge der Erschöpfung, und stürzte sich noch tiefer in die Wirrnis von Eisschollen, Zelten und Durchgängen. Er stolperte über ausgespannte Leinen und Gepäckhaufen, fiel über völlig sinnlos angebrachte Zeltpardunen und -pflöcke und stürzte immer wieder auf gefrorenen Abladeplätzen und über Treibholzstapel. Manchmal, wenn er meinte, entkommen zu sein, verlangsamte er seine Schritte, während ihm schwarz vor Augen wurde, so qualvoll hämmerte das Herz in seiner Brust, und sein Atem war kurz und schwer, als sollte er ersticken; aber immer wieder tauchte der Schatten aus dem Dunkel auf und zwang ihn, den Lauf mit derselben Schnelligkeit fortzusetzen.
    Da erhob sich blitzschnell ein neuer Gedanke in seinem Hirn, und ihm folgte der Aberglauben, der ihn mit seiner eiskalten Hand packte. Die Beharrlichkeit des Schattens wurde ihm, dem Spieler, zum Symbol. Schweigsam, unerbittlich, unentrinnbar, wurde er ihm wie das Schicksal, das bei der letzten Wegbiegung wartet, wo Gewinn und Verlust abgerechnet werden. Fortune la Pearle glaubte an die seltenen Augenblicke, in denen auf viele Dinge Licht geworfen wird und der Verstand Zeit und Raum abschleudert, um sich nackt in die Ewigkeit zu erheben und in dem offenen Buch des Geschicks die Tatsachen zu lesen. Daß jetzt ein solcher Augenblick gekommen war, bezweifelte er nicht, und als er landeinwärts und über die schneebedeckte Tundra eilte, erschrak er nicht, als er sah, wie der Schatten festere Formen annahm und ihm näher auf den Leib rückte. Von einem seltsamen Gefühl der Ohnmacht beschwert, blieb er mitten in der weißen Einöde stehen und machte hastig kehrt. Seine rechte Hand fuhr aus dem Fäustling, und ein schußbereiter Revolver funkelte im Sternenlicht.
    »Schieß nicht! Ich hab’ kein Gewehr!«
    Der Schatten hatte jetzt feste Formen angenommen, und beim Klang der menschlichen Stimme begannen Fortune la Pearle die Knie zu zittern, und die plötzliche Erleichterung wirkte so stark, daß ihm beinahe übel wurde.
    Vielleicht kam es anders, weil Uri Bram an diesem Abend kein Gewehr bei sich hatte, als er auf dem harten Ufer des Eldorado saß und einen Mord geschehen sah. Das ist wohl auch die Ursache, daß er bald darauf auf die »Lange Reise« zog, mit einem Begleiter, mit dem er nur sehr wenig Berührungspunkte hatte. Wie dem aber nun auch sein mochte, so brummte er jedenfalls noch einmal: »Schieß nicht! Kannst du nicht sehen, daß ich kein Schießeisen habe?«
    »Warum bist du dann aber hinter mir her, zum Kuckuck noch mal?« fragte der Spieler und senkte seinen Revolver.
    Uri Bram zuckte die Achseln. »Das kann ja einerlei sein. Ich will, daß du mit mir kommst!«
    »Wohin?«
    »Nach meiner Hütte, am Rande des Lagers.«
    Aber Fortune la Pearle stieß seinen Mokassinabsatz in den Schnee und rief seine verschiedenen Götter zu Zeugen von Uri Brams Verrücktheit an.
    »Wer bist du?« sagte er. »Und wer bin ich, daß ich meinen Kopf auf deinen Befehl in die Schlinge stecken soll?«
    »Ich bin Uri Bram«, sagte der andere schlicht, »und meine Hütte liegt drüben am Rande des Lagers. Ich weiß nicht, wer du bist, aber du hast einem lebendigen Mann die Seele zum Körper hinausgejagt, ja – dein Ärmel ist rot von Blut – und du bist wie ein neuer Kain, gegen den die Hand der Menschen erhoben ist und der keine Stätte findet, wo er sein Haupt niederlegen kann. Schau, ich hab’ eine Hütte – «
    »Bei der Liebe deiner Mutter, Mann, so halt
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