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Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Titel: Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
Autoren: Sebastian Jutzi
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bleiben wird? Oder wird das Hotelgelände nun zum Schauplatz eines Gefechtes? Robert überlegt, was er tun soll. Im Zimmer verkriechen oder aus dem Gebäude flüchten? Was soll er machen, wenn sich auf dem Rasen dort unten wild gewordene Soldaten erschießen? Kann er sich wehren? Womit?
    Erstaunt betrachtet Robert die wie rasende Glühwürmchen in die schwarze Nacht schießende Munition. Eigenartigerweise hat er keine Angst. Der Tumult eskaliert, als eine gewaltige Explosion alles übertönt und ein Blitz den Nachthimmel erhellt. Robert meint, eine Druckwelle zu spüren. Der gewaltige Schlag beendet das Spektakel abrupt. Nach Minuten der sinnlosen Ballerei kehrt wieder Ruhe ein.
    Robert wartet. Er riecht Pulverdampf. Seine Ohren sind vom Lärm der Schießerei dermaßen betäubt, dass er das Rauschen der Wellen kaum mehr wahrnimmt. Es bleibt ruhig. Nachdem er lange auf den See hinausgeblickt und den Mond angestarrt hat, legt er sich wieder unter das Moskitonetz seines Bettes. Das ist also die erste Nacht im Kongo.

II
    A ls Kabirizi das erste Mal auf die Sippe des Silberrückens Ndungutse trifft, kennt er nur noch ein Ziel. Ihre Geräusche und Gerüche wecken in ihm ein unwiderstehliches Verlangen. Er ist erwachsen, wiegt an die 200 Kilogramm und misst aufgerichtet beinahe zwei Meter. Er ist ein starker Gorillamann, dessen Rückenhaare sich silbergrau verfärbt haben. Nun ist er bereit, seine eigene Dynastie zu gründen. Was er dafür braucht, sind vor allem Weibchen. Ndungutse ist ein mächtiger Patron, dessen Familie mehr als 20 Mitglieder zählt – welch verlockender Lohn für einen Kampf.
    Doch Kabirizi weiß, dass er vorsichtig sein muss. Die Reihe seiner Ahnen, die erfolgreich eine Sippe erobert haben, ist lang. Und jeder seiner Vorfahren besaß Mut, Kraft und Vorsicht in jener Ausgewogenheit, die ihn sein Erbe an die nächste Generation weitergeben ließ. Nun ist es an Kabirizi, diese Linie weiterzuführen.
    Als Eindringling verschafft sich der Silberrücken zunächst einen Überblick. Tagelang streift er in der Nähe der Sippe durch den dichten Bergregenwald und umkreist den Gorillatrupp in gebührendem Abstand. Er nähert sich vorsichtig durch das Dickicht, wartet, lauscht, immer gefasst auf einen überraschenden Angriff. Doch nichts dergleichen geschieht.
    Die Gruppe, vor allem ihr Anführer, muss sich sehr sicher fühlen – oder sie ist sträflich leichtsinnig. Da seine Anwesenheit entweder niemanden stört oder noch gar nicht bemerkt wurde, fasst Kabirizi Mut. Nun verbirgt er sich nicht mehr hinter dichtem Blätterwerk und achtet auch nicht mehr so genau darauf, keinen Lärm zu verursachen, wenn er sich durch das dichte Unterholz bewegt.
    Zunächst nähert er sich jenen Weibchen, die einzeln, ganz am Rand des Verbandes, nach Futter suchen und im Gestrüpp des Waldes meist wie hingeworfene schwarze Wollknäuel aussehen. Wie ein zufällig daherkommender Wanderer rückt er immer weiter an sie heran. Auf Kabirizis Sinne wirken die Weibchen, ihr Anblick, ihre Geräusche und ihr Geruch wie ein schwarzes Loch. Sie ziehen jede Aufmerksamkeit, die er aufbringen kann, unwiderstehlich an. Dabei sitzen sie einfach nur in der üppigen Vegetation, kauen, schmatzen und verdauen. Ganz ohne Anstrengung üben sie jene magische Anziehung auf den Silberrücken aus, die seit Jahrmillionen die männlichen Akteure des evolutionären Schauspiels in ihren Bann schlägt.
    Kabirizi achtet darauf, sich vornehmlich jenen Weibchen zu nähern, die keinen Nachwuchs betreuen. Spielende Gorillakinder sind das Letzte, das er zwischen seinen Armen und Beinen gebrauchen kann. Auf keinen Fall will er riskieren, dass eines der Weibchen aus Angst um seinen Sprössling aggressiv wird – am Ende noch mit lautem Geschrei, worauf sicher die ganze Horde über ihn herfallen würde.
    Nachdem Kabirizi erkannt hat, dass ihm zumindest keine offene Feindseligkeit von den Weibchen entgegenschlägt, denen er sich zeigt, wächst seine Zuversicht. Die weiblichen Mitglieder der Sippe Ndungutses sind einem Wechsel ihres Anführers wohl nicht gänzlich abgeneigt.
    Je mehr Zeit vergeht, je mehr Annäherungsversuche ohne Aggression verlaufen, desto gewisser erscheint es Kabirizi, dass er bald Herr über diese große Gorillagruppe sein wird.
    Aber er will nichts überstürzen. Obwohl im Kampf noch unerfahren, hält ihn etwas von einem offenen Angriff ab. Es sind nicht Vorsicht, Angst oder Zweifel, aber er scheint unbewusst zu ahnen, dass eine rein gewaltsame
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