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Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Titel: Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
Autoren: Sebastian Jutzi
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frites gegessen hat. Am Nachbartisch sitzen drei Männer in Anzügen und starren auf den Bildschirm eines Laptops. Sie sprechen mit gesenkten Stimmen. Robert versteht ihre Sprache nicht. Es geht um Geld, so viel bekommt er mit, denn immer wieder hört er in der Flut der unbekannten Worte »Dollar« heraus.
    Der Direktor ist ein stattlicher Mann, der die 1,90 Meter, die Robert misst, sogar noch etwas übertrifft. Sie kennen sich nicht, aber Robert hat sich per Funk angekündigt, und als einziger Weißer kann nur er derjenige sein, den der Direktor treffen will.
    Der Parkmanager trägt einen dunklen Anzug und geht lächelnd auf Robert zu. Der erhebt sich und streckt seine Hand aus. Energisch packt der Direktor die Hand, zieht sie an sich heran und beugt seinen Kopf nach vorne.
    Wie auch in Südeuropa gebräuchlich, will er wohl Wangenküsse austauschen, denkt Robert und neigt seinen Kopf ebenfalls ein wenig nach vorne. Da hämmert auch schon die Stirn des anderen in sein Gesicht. Was war denn das? Robert zuckt zurück. Beschwichtigend und mit erstauntem Gesichtsausdruck legt der Direktor seine Hand auf Roberts Schulter. Der fasst sich an Mund und Nase. Offenbar blutet nichts. Beide schauen sich an. Der Direktor entschuldigt sich, denn offensichtlich kennt Robert die typische Begrüßung zwischen zwei kongolesischen Männern nicht. Der Direktor packt ihn am Arm und zieht ihn an sich.
    Hierzulande berührt man sich gegenseitig mit der Stirn. Dreimal. Zuerst nach links, dann nach rechts versetzt. Beim letzten Mal frontal, Stirnseite gegen Stirnseite. Dabei blickt man sich in die Augen. Robert wundert sich, aber der Direktor versichert ihm, dass das absolut kein aggressiver Akt ist, sondern vielmehr die Offenheit symbolisiert, mit der man sich begegnen soll. Gesprächspartner demonstrieren auf diese Weise, dass sie nichts zu verbergen haben.
    Der Direktor fordert Robert auf, das Ritual noch einmal zu versuchen. Vorsichtig drücken sie Stirn gegen Stirn. Mehrere Sekunden blicken sie sich tief in die Augen, dann setzen sie sich. Erst jetzt bemerkt Robert die Blicke der Männer am Nachbartisch. Ihre Mienen wirken teilnahmslos. Sollte sie der Vorfall erheitert haben, zeigen sie das nicht.
    Der Direktor breitet eine Karte aus, die keine gewöhnliche Übersicht mit topografischen Merkmalen, Höhenlinien, Längen- und Breitengraden bietet. Vielmehr ist es eine handgezeichnete, einfache Karte der Parkgrenzen. Seen sind blau, das Gelände des Parks grün markiert und der Rest des Landes bleibt weiß. Dünne, offensichtlich mit Tinte gezeichnete Linien symbolisieren Grenzen und Straßen. An manchen Stellen hat Feuchtigkeit die Tinte zu kleinen Flecken auf dem zerknitterten Papier auseinandergetrieben.
    Robert erkennt die Umrisse des Virunga-Nationalparks, die er sich genau eingeprägt hat. Im Süden liegt der Kivusee, an dessen Ufer sie gerade sitzen. Hier beginnt auch der Park. Seine Fläche gleicht zunächst dem Umriss einer großen Kar toffel, von dem Richtung Osten ein schmaler Korridor abzweigt und sich bis nach Ruanda erstreckt. Nach Norden hin verengt sich der Park ebenfalls, nur um Richtung des Edwardsees wieder breiter zu werden. Das Schutzgebiet umschließt beinahe den gesamten See und verzweigt sich im Norden des Gewässers, wo ausgedehnte Savannen liegen.
    An diesem Abend erfährt Robert Ernüchterndes: Der Nationalpark ist in einem erbärmlichen Zustand, und die 480 Ranger, die das Reservat schützen sollen, sind hoffnungslos überfordert. Ihnen fehlt selbst die primitivste Ausrüstung. Rebellen, Armee und Einheimische bedienen sich an den Ressourcen des Parks nach Belieben und sehen die Ranger als ihre Feinde an. Mehr als 100 Parkwächter sind bereits getötet worden. Noch mehr wurden verletzt.
    Antilopen werden wegen ihres Fleisches gejagt, Elefanten wegen ihres Elfenbeins und Flusspferde wegen beidem. Deren Fleisch ist 300 Dollar wert, in einem Land mit einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 30 Dollar pro Kopf ein kleines Vermögen. So haben alleine die Mai-Mai-Rebellen mehr als 20 000 dieser Dickhäuter im Edwardsee abgeschlachtet.
    Und die Gorillas? Robert wundert sich, dass der Direktor bislang noch nicht von den Affen gesprochen hat. Ja, ja, die Gorillas. Der Direktor tippt mit dem Zeigefinger auf den kartoffelförmigen Südteil des Parks und den Korridor in Richtung Ruanda. Dort sind auch mehrere kegelförmige Berge eingezeichnet – die Virunga-Vulkane. An ihren Hängen leben die Berggorillas, deren
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