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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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alles.
    Der Opium-Khan faucht einen Befehl, und aus den Schatten tauchen Männer auf, knallhart aussehende Scheißkerle, die gewohnheitsmäßig zusammenarbeiten. Kämpfer der Drogenmafia vielleicht oder Söldner. Söldner . Sobald Joe dieser Gedanke kommt, fühlt er, dass es stimmt.
    Die Bienen schwärmen herab, erfüllen die Luft. Sie verteilen sich über ganz London, das weiß er ebenfalls, und die Angst wächst, das Verständnis, dass etwas Furchtbares bevorsteht.
    Shem Shem Tsien lacht. Joe prüft den Namen in seinem Kopf, aber seine Erkenntnisfähigkeit scheint Grenzen zu haben; wenn er an seinen Feind denkt, hat er keine Ahnung, wer der Opium-Khan eigentlich ist. Eine falsch verstandene Frage also, nicht ausgefeilt genug, als dass die Antwort richtig oder falsch sein könnte. Aber bald schon wird das keine Rolle mehr spielen. Bald werden alle Fragen neu definiert, und danach wird es überhaupt keine Fragen mehr geben.
    Tod durch Fußnote.
    Der Kampf ist eröffnet, brutal und intensiv. Straßenkampf, der ohne jeden eleganten Tritt, ohne jedes clevere Manöver auskommt. Die Geräusche, die dabei ausgestoßen werden, sind grimmig und verzweifelt: Grunzen, Laute des Zerreißens, Schreie und Aufschläge, Schlitzen und Zerbrechen. So dicht bei der Maschine schrecken beide Seiten vor Schusswaffengebrauch zurück. Mit Händen und Füßen und altmodischen Waffen kämpfen die Söldner. Joes Schläger halten stand.
    Die Bienen dringen in die Kammer ein, eine summende Wolke aus Verwirrung und Chaos, und augenblicklich ist die gesamte Szene mit Wissen überzogen. Jeder Mann hat ein Leben, eine Geschichte, die plötzlich allen offenliegt, real ist und augenblicklich begriffen wird. Von diesem Augenblick an, hat Frankie immer geglaubt, würden Kriege unmöglich werden, ebenso wie die Erfinder des Giftgases und der Atombombe so gern an eine Menschheit glauben wollten, die derartige Waffen unbrauchbar machen und ihren inneren Sinn verstehen würde; die verstehen würde, dass der Krieg eine sinnlose Verschwendung darstellt.
    Doch der Kampf wird, wenn überhaupt, nur noch erbitterter ausgefochten.
    Inmitten eines Nebels aus vor und zurück surrenden Bienen laufen die besudelten und ausgeschlachteten Überreste des Anschauungsapparates auf Hochtouren, und jede Antwort wird immer fraktaler, immer vollständiger. Es kann nun nicht mehr lange dauern, bis alles zu spät ist. Joe weiß in diesem Augenblick, wie lange es noch dauern wird, kann die zeitlichen Abstände nicht in Sekunden oder Minuten, sondern in der perfekten Zeitmessung von Atomen erkennen. Aber in Minuten betrachtet, hat er recht: Nicht mehr als fünf bleiben bis zum Ende.
    Joe schlägt sich durch die taumelnden, kämpfenden Gestalten und sucht Shem Shem Tsien. Er rammt seine Faust in das Gesicht eines Mannes, weicht dem Gegenschlag aus und lacht, als er seinen Gegner auf den Rücken wirft und über ihn hinwegstampft. Lacht, weil er seinen Sieg in den Bewegungen des anderen schon erkennen kann, bevor es so weit kommt. Er watet durch den Kampf, weiß genau, wohin er gehen muss. Kurz wird er von zu vielen anderen bestürmt, selbst für seine Verhältnisse, doch dann schreit ein Mann vor Entsetzen auf und greift sich an sein Bein, da ihm nun ein Stück seiner Wade fehlt, wo sich Bastions Narwal-Stoßzahn in sie hineingestoßen hat. Joe huscht in die Lücke hinein, torkelt, greift an und zieht sich wieder zurück. Der Hund verschwindet im Gedränge, und sein Vorankommen lässt sich an Schreien und Flüchen hörbar nachvollziehen.
    Joe stößt das Lachen eines Berserkers aus, breitet weit die Arme aus und springt vor, um Männer zu Boden zu reißen, rollt sich an ihnen vorbei zur Seite und kommt wieder auf die Beine. Er spürt Finger unter seinen Füßen, tritt zu und hört ein Fluchen, schlüpft davon. Sein Weg durch den Raum ist das sich verschiebende Kräuseln einer Welle, aber er geht ihn mit vollkommener Gewissheit, und seine Hände sind voller Kraft. Er vollzieht das Muster nach, kennt sein Ziel, kann spüren, wie es immer näher kommt. Und dann, genau in der Mitte des Wirbels, stehen sie einander gegenüber.
    Der Opium-Khan und sein Feind in vollkommenem Gleichgewicht. Sie sind der Angelpunkt. Was zwischen ihnen geschieht, wird über alles entscheiden.
    Sie wissen, dass es wahr ist.
    Shem Shem Tsien erhebt die Hand: Halt! Joe tut es ihm gleich.
    Und plötzlich herrscht eine Art Bewegungslosigkeit über dem Stöhnen der Versehrten.
    Aus den Schatten um sie herum
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