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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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tauchen Ruskiniten auf, ihre Roben zerrissen und verkohlt. Shem Shem Tsien feixt. »Es ist wahrhaft befriedigend, Joe Spork, Sie hier zu haben. Einen Feind vernichten zu können, während man zur Gottheit aufsteigt.«
    Joe antwortet nicht. Er wartet.
    Die Ruskiniten strecken die Hand aus, ziehen ihre Kapuzen zurück und offenbaren die Gesichter von Simon Alleyn und seinen Bestattern. Der Opium-Khan starrt sie einen Augenblick lang verblüfft an, dann breitet sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. »Sie haben die Bestatter ausfindig gemacht! Sie haben sie ausfindig gemacht und als besondere Überraschung mitgebracht! Oh, Joe. Das ist ja fantastisch. Haben Sie geglaubt, das würde den armen Vaughn wieder zum Leben erwecken? Sie erschrecken mich mit den furchtbaren Beerdigungsunternehmern, und schon kommt meine alte, längst begrabene Seele wieder zum Vorschein? Ein Kampf um die Vorherrschaft in meinem eigenen Kopf, ein meisterhafter Streich? Sie haben es geschafft! Gönnen Sie mir nur einen Moment, um dies auszukosten. Es ist hervorragend. Und machen Sie sich keine Sorgen, Bruder Simon. Ich bin sofort bei Ihnen.
    Wissen Sie, Mr Spork, ich glaube wirklich, dass Sie und ich unter diesen Umständen …«
    Joe seufzt. »Schwätzer«, sagt er. Er rollt seinen Kopf im Nacken, wirft seinen Hut zu Boden, brüllt dann all seine Wut und seinen Hass heraus und stürzt vor.
    Doch dann hält er inne, denn als er zu seiner Bewegung ansetzt, weiß er bereits in völliger Klarheit, was passieren wird, wenn er sie durchführt. Er kann spüren, wie der Anschauungsapparat in seinem Kopf arbeitet, und er nimmt jede Handlung, Ursache wie Wirkung, in intimster Vollständigkeit und aus jedem Blickwinkel wahr:
    Joe stürzt vor, große Hände packen zu. Shem Shem Tsien empfängt ihn, und sie stürzen gemeinsam zu Boden, kugeln über und über. Joe beißt ein Stück vom Ohr seines Feindes ab. Der Opium-Khan bricht Joe zwei Finger. Sie reißen einander in Stücke; Geschick und Wildheit zu gleichen Teilen, so geht es vor und zurück. Weiter und weiter und weiter, bis plötzlich nichts mehr ist. Die Welt hält an. Finis.
    Als er sieht, wie Joe erstarrt und auf gleiche Weise dieselbe Kausalität erkennt, beginnt Shem Shem Tsien zu lachen und tritt vor, erhebt sein schmales Schwert und hält dann ebenfalls inne.
    Der Opium-Khan schlägt zu. Joe weicht zur Seite, die Klinge zieht einen Schnitt über seine Hüfte. Er zückt seine Waffe und feuert, eine Kugel erwischt den Arm des Opium-Khans. Sie kommen zum Schluss.
    »Es tut mir sehr leid, Bruder Vaughn. Es ist Zeit.«
    Simon Alleyn hat die Entfernung zu ihnen derartig schnell überbrückt, dass es aussieht, als müsse er geflogen sein. Er erhebt sich hinter Vaughn Parry, starke Glieder packen zu. Sein linker Arm umschließt Parrys Kehle, und Finger greifen nach seinem anderen Ellbogen, um ihn mit einem Ringergriff zu fixieren. Er drückt Parrys Kopf nach vorn, und langsam, ganz langsam, trennen sich die Rückenwirbel, und die Wirbelsäule bricht.
    Vaughn Parry stirbt.
    Shem Shem Tsien wirbelt herum, zieht seine Waffe und schießt auf Simon Alleyn. Alleyn schreit auf, stürzt und presst die Hand gegen seine Seite. Vielleicht wird er überleben. Vielleicht wird er sterben. Es ist nicht entschieden. Noch nicht.
    Der Opium-Khan wendet sich, die Pistole in der Hand, wieder Joe Spork zu, und Joe stellt sich mit seiner Tommy Gun in Positur.
    »Na los«, sagt Joe. »Sehen wir, was passiert.«
    Shem Shem starrt ihn an.
    Und starrt.
    Und weiß die Antwort nicht.
    Für einen Augenblick flackert Panik über das Gesicht des Khans. Das Gefühl wird so rasch unterdrückt, dass man es verpassen könnte. Man könnte es sehen und es nie als das erkennen, was es gewesen ist. Es sei denn, man hätte darauf gewartet.
    »Sie haben gern das Steuer in der Hand, nicht wahr?«, sagt Joe Spork leise. »Sie spielen nicht gern. Sie haben keinen Glauben, deshalb wollen Sie Gott dazu zwingen, mit Ihnen zu sprechen. Den Tod können Sie nicht kontrollieren, deshalb töten Sie, denn wenn Sie selbst der Tod werden, sterben Sie vielleicht nicht. Und nur zur Absicherung werden Sie auch selbst zu einem Toten.« Er grinst mit Wolfszähnen. »Das muss jetzt echt scheiße sein, in den Lauf dieser Knarre zu schauen und zu wissen, dass selbst wenn Sie mich zuerst totschießen, ich dieses Ding abfeuern werde und es keine Möglichkeit gibt zu kontrollieren, ob es Sie umbringt oder nicht. Einer von uns wird sterben, vielleicht wir beide. Aber
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