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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Grimasse wird, und behält den Ausdruck bei; er wird ihn brauchen. Allerdings nicht hier oben.
    Bastion, der Hund, windet sich aus Pollys Griff und huscht davon – blinde Augen, die nach seinem Feind suchen. Aus der Finsternis herauf zucken Blitze elektrischen Lichts, wie ein Gewitter in den Tiefen der See.
    Joe zückt seine Waffe und geht voran ins Dunkle. Die Treppe verläuft spiralförmig, und an jeder Biegung findet sich eine weitere Leiche, um die Insekten schwirren. Das Gerüst gerät bei ihrem Abstieg ins Wanken, zu viele Füße und zu viel Gewicht, also streckt Joe die Hand aus, um sich festzuhalten. Polly Cradle reißt sie zurück und schaut ihn wutentbrannt an.
    »Idiot!«, zischt sie. »Benutz deinen Kopf. Mach die Augen auf!«
    Sie deutet auf das Treppengeländer. Es funkelt, blitzt. Er schaut genauer hin. Glasscherben und ein Geruch wie Marzipan.
    »Was ist das?«
    »Cyanid, nehme ich an. Das wäre doch passend, oder?«
    Einer von Joes Banditen hat sich bereits geschnitten. Würgend bricht er auf dem zweiten Treppenabsatz zusammen. Als ihm sein Kumpel zu Hilfe eilt, öffnet sich unter ihnen eine Falltür, und sie stürzen auf ein elektrisch aufgeladenes Netz.
    Joe flucht leise vor sich hin. Er sagt nicht: »Seid vorsichtig!«, da niemand in seinem Kommando blöd ist. Harte Hunde sind sie und jetzt auch ziemlich wütend, aber nicht blöd.
    Der Raum am Fuß der Treppe ist ein Abgrund, ein Übergang des Hauses zu den offenen Räumen der Tosher-Tunnel, zu Kellern und Grabkammern und allem anderen. Eine gigantische flüsternde Galerie – Geräusche werden von den Wänden, den oberen Stockwerken, vom Turm und vom darüber liegenden Himmel als Echo zurückgeworfen. Hier klingt das Herannahen der Bienen wie ein unaufhörliches Brummen, das statische Zischen eines Radios zwischen den Stationen.
    Der Opium-Khan erwartet sie, umgeben von seinen Maschinen, auf einem riesigen gusseisernen Thron. Der Bienenkorb aus Whistithiel steht im Zentrum, ist brutal aufgeschnitten, verdrahtet und ausgeweidet worden. Schwarze Gummikabel quellen aus riesigen Computerstationen und schlängeln sich zu einer weiteren halbvertrauten Maschine, die der aus dem Indoktrinationsraum in Happy Acres gleicht, nur viel, viel größer ist: das Archiv des Mannes am Draht.
    Darum herum das Licht der Blitze, ein blau strahlendes Zucken und ein paar verbliebene Leichname, die schmurgelnd und zuckend an alten, unter Strom stehenden Rahmen hängen.
    Als Joe den letzten Schritt von der Treppe hinunter in den Raum macht, lächelt Shem Shem Tsien, betätigt einen Hebel rechts neben sich, und der gesamte Apparat beginnt zu zittern und zu kochen. Der Bienenkorb kreischt auf.
    »Hallo, Mr Spork«, sagt Shem Shem Tsien.
    »Vaughn.«
    »Oh, bitte ersparen Sie mir wenigstens dies … Sie kommen übrigens zu spät. Es ist vollbracht. Die Maschine wird mir die Wahrheit offenbaren, und ich werde sein wie Gott.«
    »Und alle werden sterben. Selbst Sie. Sie werden aufhören, ein Mensch zu sein. Sie werden nur noch …« Oh. Eine Kopie sein. Ein Muster, das sich endlos wiederholt.
    Shem Shem Tsien öffnet seine Hände. »Sehen Sie? Ich bin die Zukunft. Und dies ist wahrer, als Sie es sich vorstellen können. Wenn der Anschauungsapparat die Welt bereit gemacht hat, werde ich alle Menschen mit meinem Geiste segnen. Mithilfe der Kalibrierungstrommel kann ich die Maschine als einen Transmitter nutzen. Wie meine Ruskiniten, Mr Spork, werden sie alle jedes Detail von mir kennen. Und nach und nach werden sie zu mir werden. Ich werde jeder sein und alles, für alle Zeit. Meine Wahrnehmung wird die einzige Wahrnehmung sein. Mein Geist der einzige Geist. Auch der Ihre, Mr Spork. Sie werden Teil von mir sein.
    Ich werde zu Gott werden. Es ist zu spät, um dies zu verhindern. Es ist schon immer zu spät gewesen und wird es auch immer gewesen sein.«
    Nach einem Augenblick zuckt Joe Spork mit den Schultern. »Wenn ich zu spät gekommen wäre, würden wir uns jetzt nicht miteinander unterhalten.«
    Unvermittelt wird ihm völlig klar, dass er recht hat, und einen Augenblick später begreift er auch, was das bedeutet: Der Anschauungsapparat arbeitet. Stadium eins, hat Frankie es genannt. Das, was sie gewollt hatte. Die sichere Zone. Aber das wird sich ändern, sehr bald.
    Irgendwo in seinem Hinterkopf hallt eine Bestätigung wider.
    Er schaut auf und erblickt einen Wasserfall aus Bienen, einen taumelnden, wunderschönen, entsetzlichen Strom – und dann verändert sich
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