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Der goldene Ring

Der goldene Ring

Titel: Der goldene Ring
Autoren: Julian May
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erkannte keinen Boden. »Cinders!« rief er, und seine Jungenstimme wurde in gebrochenen Klagelauten zurückgeworfen. Ein gräßliches Rascheln und ein schwaches Quietschen waren zu hören. Von dem Höhlendach hoch oben senkte sich ein Nebel aus stechendem Fledermaus-Urin auf ihn herab.
    Hustend und würgend versuchte er sich umzudrehen, aber der Spalt war zu eng. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als auf dem Bauch hinauszukriechen. Tränen strömten ihm Über die Wangen. Jeden Augenblick konnte ihm eine Fledermaus ins Gesicht fliegen und ihm die Zähne in Nase und Lippen und Wangen und Ohren schlagen.
    Er ließ die Taschenlampe liegen. Vielleicht verscheuchte das Licht die Tiere. Zentimeter für Zentimeter schob er sich Über rauhe Steine rückwärts und schürfte sich Knie und Ellbogen auf. Der Gang wollte kein Ende nehmen! Er war bereits viel länger, als er auf dem Hinweg gewesen war! Und er war auch enger geworden und quetschte ihn mit unvorstellbaren Tonnen schwarzen Gesteins, bis er dachte, ihm werde das Leben ausgedrückt...
    Er gelangte hinaus.
    Sogar zum Schluchzen zu schwach, hatte er dagelegen, bis die Sonne unterging. Endlich war er imstande, aufzustehen und nach Hause zu taumeln, und da fand er Cinders, die im Hintergarten eine Untertasse mit Sahne leerschleckte. Die grauenhafte Reise in die Höhle war umsonst gewesen.
    »Ich hasse dich!« hatte er geschrien, woraufhin seine Mutter herbeistürzte. Aber als sie ihn erreichte, drückte er das schwarze Kätzchen an seine verletzte und schmutzige Wange und streichelte es, und Cinders' Schnurren half, sein hämmerndes Herz zu beruhigen.
    Cinders hatte noch fünfzehn Jahre gelebt, fett und zufrieden, während Bryans jungenhafte Liebe für das Tier sich zu einer vagen Zärtlichkeit verflüchtigte. Aber der Schrecken des verlorenen geliebten Wesens, die Angst und die Welle von Haß, als er am Ende erkannte, daß seine Tapferkeit verschwendet worden war, das war ihm fürs ganze Leben geblieben. Und jetzt trat er wieder in eine Höhle ein ...
    Die freundliche Stimme des Skippers holte ihn in die Wirklichkeit zurück. »Die Dame, die Sie suchen. Hat man Ihnen gesagt, sie sei hier unten in Muriah?«
    »Ein Befrager in der Torburg erkannte ihr Bild. Er sagte, sie sei hierher geschickt worden. Creyn deutete an, wenn ich auf meinem Fachgebiet mit den hiesigen Behörden zusammenarbeitete, würden sie und ich uns - begegnen.«
    Er zögerte nur einen Augenblick, bevor er seine Brusttasche aufknöpfte und das Durofilmblatt herausholte. High-john starrte Mercys selbstleuchtendes Porträt an.
    »Welch ein schönes, wehmütiges Gesicht! Ich weiß nicht, wo sie sich hier befindet, Bry, aber ich bin auch die meiste Zeit auf dem Fluß. Gott weiß, ich könnte sie nie vergessen, wenn ich sie je gesehen hätte. Diese Augen! - Sie armer Teufel.«
    »Das können Sie ruhig zweimal sagen, Johnny.«
    »Warum ist sie hergekommen?« fragte der Skipper.
    »Ich weiß es nicht. Lächerlich, nicht wahr, Johnny? Ich habe sie nur einen einzigen Tag lang gekannt. Und dann mußte ich sie wegen einer Arbeit, die wichtig zu sein schien, verlassen. Als ich zurückkam, war sie fort. Ich konnte ihr nur noch folgen. Eine andere Wahl hatte ich nicht. Verstehen Sie das?«
    »Sicher, Bryan. Ich verstehe. Meine eigenen Gründe waren nicht viel anders. Nur daß niemand auf mich wartete ... Aber da ist etwas, womit Sie rechnen müssen, wenn Sie sie finden. Sie wird verändert sein.«
    »Sie war eine Latente. Man wird ihr einen silbernen Halsreif gegeben haben. Darauf bin ich gefaßt.«
    Der große Flußschiffer schüttelte langsam den Kopf. Wieder berührte er sein eigenes graues Halsband. »Es geht nicht nur darum, daß ein Latenter operant wird - obwohl Gott weiß, es hat seine Risiken, wenn einer ganz plötzlich Metafähigkeiten erwirbt. So habe ich es jedenfalls gehört. Aber schon wir Grauen - die wir keine nennenswerten Metafunktionen bekommen - gewinnen durch diesen Ring etwas Phantastisches. Etwas, das wir nie zuvor besessen haben.« Er schürzte seine dünnen, violetten Lippen, und dann verlangte er: »Hören Sie, Mann! Was hören Sie?«
    »Sie singen ein Lied in ihrer Tanu-Sprache.«
    »Und Ihnen bedeuten die Worte gar nichts..Aber uns, die wir einen Ring tragen, sagt das Lied >gutgemacht< und >fürchtet-nichts< und >dies-ist-es< und >wir-ihr-uns
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