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Der goldene Kuß

Der goldene Kuß

Titel: Der goldene Kuß
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Motor an, blendete die Scheinwerfer auf und stob mit einem rasanten Start davon.
    Das war das letzte Bild, das der Reporter machte: der Blondkopf Karin Jaruts, der sich hilfesuchend an eine breite Männerschulter lehnte …
    *
    Theo Pelz hatte es sich bequem gemacht.
    Er hatte seinen Sessel so weit herangeschoben, daß er seine langen Beine auf die Lehne der Couch legen konnte, auf dem Tischchen neben ihm standen eine Flasche Bier, ein Glas, eine Kiste Zigarren und eine geschliffene Kristallkaraffe mit goldgelbem Whisky. Ein Thermoeisbehälter besetzte den letzten freien Platz des Tisches.
    In dem großen Zimmer war es dunkel bis auf eine Lampe, die auf dem Fernsehgerät brannte und ein mildes Licht verbreitete.
    So oder ähnlich sah es um diese Zeit in einigen Millionen deutschen Wohnzimmern aus. Das Abendprogramm des Fernsehens begann. In dem einen Programm lief die 6. Folge der Erfolgsserie ›Fremde Länder – fremde Killer‹ an, mit dem männlichsten aller Männer-Stars, dem eisenharten Tommy Brest. Was niemand wußte: Bei den Aufnahmen der 4. Folge in Hongkong schnitt sich Tommy Brest mit einem Brotmesser in den Finger und fiel ohnmächtig um, als er Blut sah. Es war nur ein kleiner Schnitt, den ein Schnellpflaster verdeckte, aber die Aufnahmen mußten für vier Tage unterbrochen werden, weil Tommy Brest nervlich am Ende war. Am fünften Tag war er dann wieder so weit, daß er filmische Heldentaten vollbringen und seine Gegner reihenweise umlegen konnte.
    Das wußte kaum einer … aber Theo Pelz wußte es. Er war der Programmdirektor des Senders. Ein hochbezahlter, verantwortungsvoller Posten. Durch seine Hände, über seinen Schreibtisch gingen alle Planungen der Fernsehanstalt. Er stellte den Spielplan auf, er schlug vor und verwarf, er kämpfte gegen Bestechungen von Fernsehfilm-Produzenten, widerstand Verlockungen karrieresüchtiger Starlets, die Busen mit Begabung verwechselten, er schlug dem Intendanten Dr. Aloys Rathberg neue Schauspieler vor, verhandelte mit Autoren, nachdem diese die Dramaturgie bereits durchlaufen hatten, drückte die Preise, schimpfte über die Kosten für Bauten und Kostüme, kurzum: Er war eine der Seelen, durch die eine Fernsehanstalt zum lebenden, pulsenden Organismus wird.
    Daß er heute abend nicht im Atelier war, nicht im ›Carlton‹ speiste oder sonst eine Verabredung hatte, sondern in seiner antik eingerichteten Wohnung saß, die Beine auf die Couchlehne legte und auf die Mattscheibe des Fernsehers starrte, hatte einen einfachen Grund: Er war verärgert.
    Seit drei Tagen hielt ihn Karin Jarut hin. Seit drei Tagen hatte sie Migräne, empfing wohl seine Blumen, aber nicht ihn selbst, log am Telefon das Blaue vom Herbsthimmel (Theo Pelz wußte es) und wich auf gezielte Fragen aus.
    Heute wäre nun der letzte gemeinsame Abend gewesen, denn morgen, in der Frühe, flog ein großes Aufnahmeteam ab nach Zypern, um dort unter der Regie von Carlos Heimann gleich zwei Fernsehserien zu drehen: Die 10. Folge von ›Fremde Länder – fremde Killer‹ mit dem knallharten Tommy Brest und ›Ich suche Kain‹ mit Karin Jarut. Dieser Abend sollte ein Abschied für sechs lange Wochen sein, Theo Pelz hätte ihn im Nachtclub ›Sahara‹ verbracht und dann hier in seiner Wohnung, wie so oft, nebenan im weißgoldenen Schlafzimmer im Louis-quatorze-Stil. Statt dessen hatte Karin Jarut abgesagt, sich telefonisch mit einem Küßchen verabschiedet und Theo Pelz wütend zurückgelassen.
    Was hat sie nur, dachte er. Will sie die Rolle der heiligen Johanna ertrotzen? Und wenn sie sich selbst in den schönen Popo beißt – sie bekommt die heilige Johanna nicht! Sie ist keine klassische Schauspielerin. Sie kann Sexkatzen spielen, von mir aus auch die Cleopatra; aber zur Heiligen fehlt ihr alles. Der seelenvolle Blick allein genügt nicht. Karin Jarut auf dem Scheiterhaufen – undenkbar!
    Theo Pelz stellte Helligkeit und Brillanz mit der Fernsteuerung ein und lehnte sich im Sessel zurück. Er nahm einen Schluck Whisky mit Eis, steckte sich eine Zigarre an und sah unlustig auf die letzten Reklamespots.
    Mal sehen, was die Konkurrenz bringt, dachte er. Man kommt so selten dazu, die Sendungen des anderen Programms zu analysieren. Nur bei den großen Brummern, den echten Konkurrenzsendungen, da sitzt das Team von der Programmplanung zusammen und starrt auf die andere Mattscheibe. Und dann heißt es: Na, sooo gut war das auch wieder nicht! Der Kulenkampff … Schwamm drüber, der ist Klasse. Und die
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