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Der goldene Kuß

Der goldene Kuß

Titel: Der goldene Kuß
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Dokumentarsendung … etwas trocken, aber sehenswert. Doch die Show ›Links herum‹ … Kinder, Kinder! Das können wir besser! Wenn man der Lily nicht den Schalleffekt unterlegen würde oder dem Manuel nicht das Playback gestattete, dann ginge alles in den Eimer. Sänger mußte man haben. Sänger, die auch singen können! Aber eher schickt der Himmel statt Regen nur Pflastersteine, ehe man einen Sänger entdeckt, bei dem die Technik hinter der Glasscheibe des Aufnahmeraumes schlafen kann.
    Ende der Reklame. Leise Musik. Zärtlich, mit viel Geigen. Beigemischtes Echo. Nicht übel, dachte Theo Pelz. Klingt gut.
    Und dann durchzuckte es ihn wie ein Stich. Er beugte sich vor, setzte das Whiskyglas blind nach hinten tastend auf den Tisch und schob die Unterlippe vor.
    Auf der Mattscheibe erschien ein Mädchenkopf.
    Ein schmaler, von einem Lächeln verzauberter Kopf. Zwei Grübchen stachen in die glatten Wangen, große, sprechende, dunkle Augen sahen ihn an, der Schwung der Lippen war so erregend, als hätten sie sich gerade von einem Kuß gelöst.
    Theo Pelz kratzte sich das Haar. Das Gefühl, daß ihn das Mädchen ansah, ihn allein, ganz bewußt, als sehe sie ihn wirklich, blieb an seinem Herzen kleben. Das ist ja blöd, sagte sich Theo Pelz. Sie sieht jetzt auf die große Schrifttafel unter der Kamera I, wo das draufsteht, was sie sprechen soll. Gedächtnishilfe für Doofe, an denen es im Atelier nicht mangelt. Und wenn sie auf die Tafel blickt, sieht es so aus, als spreche sie unmittelbar mit dem Zuschauer. So von du zu du …
    Die Folge sind dann die Briefe, die zum Sender kommen. So zum Nachrichtensprecher: »Lieber Fritz Happe. Gestern haben Sie mich angesehen und mir zugeblinkt. Mein Herz stand still. Meine Telefonnummer ist 67 87 12 … Ich bin hübsch, habe Oberweite 98 …«
    Aber der Zauber blieb an Theo Pelz haften, sosehr er sich dagegen mit seiner Vernunft wehrte. Das Mädchen auf dem Bildschirm sah ihn weiterhin an, ihr Lächeln traf ihn mitten ins Herz, ihre klare Stimme streichelte ihn. Nun neigte sie den Kopf, eine Locke des dunklen Haares fiel ihr in die hohe Stirn, sie sah nun etwas verwegen aus, lausbübisch, keck, dazu die großen dunklen Augen, die allein sprachen, der Mund, der keiner Worte bedurfte, um zu faszinieren … es war vollkommen, einfach vollkommen.
    Und dabei sagte sie nur das Abendprogramm an. Nüchtern und schnell. Uhrzeit – Titel, Uhrzeit – Titel, Uhrzeit – Titel … eine mit Zahlen und Buchstaben gefütterte Maschine.
    Eine herrliche Maschine.
    Theo Pelz war es, als sei er verlassen und ausgesetzt, als der Mädchenkopf verschwand, der Schirm dunkel wurde und dann das Dia der Politischen Schau aufblendete. Er sprang auf, schaltete den Apparat ab und das volle Licht des Zimmers an. Dann nahm er einen tiefen Schluck Whisky und sagte laut, was er schon beim ersten Wort des zauberhaften Mädchens gedacht hatte:
    »Die kommt zu mir! Die engagiere ich den anderen weg! Das ist genau der Typ, den ich gesucht habe. Mädchen, aus dir mache ich den ganz großen Star! Die Superbombe des deutschen Fernsehens!«
    An diesem Abend ging Programmdirektor Theo Pelz doch noch aus. In dem exklusiven Speiselokal ›Coque d'Argent‹ aß er Hummercocktail und Filet Stroganoff und trank eine Flasche Rauenthaler Auslese. Der Oberkellner, mit einem Teil von Pelz' Leben vertraut, beugte sich von hinten zu ihm herunter.
    »Sie feiern etwas, Herr Direktor? Sie sehen so aus …«
    »Kennen Sie Schliemann?« fragte Pelz zurück.
    »Nein, Herr Direktor.«
    »Sie sollten mehr Fernsehen gucken! Schliemann entdeckte das alte Troja und grub es aus. Ich bin heute ein zweiter Schliemann: Aus den Trümmern des Fernsehens werde ich etwas Strahlendes ausgraben! Prost, Anton.«
    »Prost, Herr Direktor.«
    Als Theo Pelz spät in der Nacht nach Hause fuhr, hatte er seinen Ärger und Karin Jarut vergessen …
    *
    Die meisten Menschen denken, ein Funkhaus sei etwas Großartiges, Geheimnisvolles, immer Fröhliches, nach Geld Riechendes, Stars Gebärendes, Genies Verspeisendes und ungeheuer Krach Schlagendes. Funkhaus, Fernsehen, Atelier, Kameras, Scheinwerfer, Dekorationen, Ballett, Orchester, Udo Jürgens, Blauer Bock, Frühschoppen – das Wort zum Sonntag, Schwarzwaldklinik, Sport und Orchester James Last – das alles sei eine Welt für sich, sei herrlich, prima, dufte, Klasse … sei ein Traumziel, eine Zehe Gottes, die man küßt, sei erfüllter Sinn des Lebens.
    In Wirklichkeit ist ein Funkhaus genauso ein
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