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Der goldene Greif

Der goldene Greif

Titel: Der goldene Greif
Autoren: Gabriel Galen
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konnte der Zufall sie wieder zu ihm führen. Er wußte genau, daß er die Berge nicht lebend verlassen würde, wenn die Schergen seines Oheims ihn in die Hände bekamen.
    Doch die Neugier, ein so ungewöhnliches Wesen wie den Greif aus nächster Nähe b e obachten zu können, ja, vielleicht sogar seine ersten Flugversuche zu sehen, siegte über die Furcht vor einer möglichen Entdeckung. Raigo beschloß zu bleiben. Er war gewiß, fanden ihn seine Verfolger nicht, würden sie auf der anderen Seite des Gebirges auf ihn warten. Denn auch für einen Mann zu Fuß gab es nur drei Wege, auf denen er das Gebirge verla s sen konnte: den Weg zurück nach Ruwarad und die beiden Pässe nach Imaran, dem Nac h barland. Käme er jedoch nach einer gewissen Zeit auf keinem der Wege wieder zum Vo r schein, würden seine Verfolger vie l leicht annehmen, er sei verunglückt, und die Suche nach ihm einstellen. So konnte sein Entschluß zu bleiben gerade das Richtige sein.
     
    Raigo suchte im letzten Licht des Tages nach einem geeigneten Schlafplatz. Bald hatte er eine windgeschützte Stelle zwischen einigen Felsbrocken gefunden, an der dickes Moos wuchs. Lange Flechten hingen von den umliegenden Steinen. Raigo riß eine Menge davon herunter und schichtete sie auf das Moos. Als er sein Werk d a nach betrachtete, fand er, daß er in den letzten Wochen selten ein so ko m fortables Lager gehabt hatte.
    Nachdem er seinen Fleischvorrat gegessen hatte, legte er sich auf sein weiches Moosbett nieder. Seine Gedanken wanderten zu dem seltsamen Erlebnis des Tages zurück.
    Ein Greif! Ein wirklicher Greif! Er versuchte, sich zu erinnern, was ihm sein Lehrer von di e sem mächtigen Tier erzählt hatte. Viel war es nicht, was ihm noch im G e dächtnis geblieben war. Es hieß, daß es nur noch wenige Greifen gäbe, ja, manche Leute behaupteten sogar, sie seien nur Sagenwesen. Doch daß das nicht stimmte, hatte er mit eigenen Augen ges e hen. Goldschätze sollten sie hüten, aber dieser hier war wohl kaum der Hüter eines Scha t zes. D a bei wäre Raigo ein solches Schatz sehr zupass gekommen. Er hätte damit ein Heer rüsten können, um seinen Onkel vom Thron zu vertreiben.
    Aber eigentlich wollte er das gar nicht. Ihm lag nicht viel an der Herrschaft. Wäre ihm nicht die Krone bestimmt gewesen, wäre er viel lieber ausgezogen, sich die Welt zu besehen. Wenn sein Oheim auch skrupellos war, so war er doch klug und würde das Land gut regi e ren. Doch glaubte er, daß jeder so machtgierig sei wie er und wollte den Neffen daher bese i tigen, damit sein Herrschaftsanspruch unantas t bar war.
    Raigo seufzte. Hätte sein Onkel doch nur mit ihm geredet! Er hätte ihm freiwillig für lange Zeit den Thron überlassen. Dann hätte er jetzt gut ausgerüstet durch die Lande ziehen kö n nen, um Abenteuer zu erleben und seinen Tatendrang zu stillen.
    Wieder kehrten Raigos Gedanken zu dem Greifen zurück. Man sagte, daß diese Geschö p fe übernatürliche Kräfte besäßen. War er vielleicht gar nicht freiwillig hier entlang geko m men? Hatte vielleicht ein unhörbarer Ruf des jungen Greifens ihn hierhergeführt?
    Raigo fühlte sich auf einmal unbehaglich. Konnte er wissen, ob ihn das mächtige Tier nicht angriff, wenn es erst einmal den Horst verlassen konnte? Doch dann verwarf er seine B e denken. Dies war so ein  Abenteuer, wie er es so oft in seinen Träumen hatte bestehen wo l len. Und nun würde er ihm mutig entgegengehen, komme, was da wolle!
    Zufrieden mit seinem Entschluß drehte er sich auf die Seite und schlief ein.
     
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    Die nächsten fünf Tage verbrachte Raigo damit, für sich und die beiden Tiere auf die Jagd zu gehen. Diese Aufgabe erwies sich als schwieriger, als er gedacht hatte, denn die schla u en Murmeltiere waren gewarnt, und nur noch einmal gelang es Raigo, sie zu überli s ten. So mußte er weite Strecken zurücklegen, um genügend Wild zu finden. Einmal gelang es ihm, eine Bergziege zu erlegen. Doch auch dieses Fleisch war schnell verbraucht, denn beso n ders der Appetit des jungen Greifens wuchs von Tag zu Tag.
    Die beiden Tiere hatten sich erstaunlich schnell erholt. Schon drei Tage nach Raigos erster Futtergabe hatte der Greif seine Flugübungen wieder aufgenommen, und nun begann auch der Adler, seine Fl ü gel zu erproben.
    Wenn er genug erjagt hatte, lag Raigo stundenlang über ihnen auf dem
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