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Der goldene Greif

Der goldene Greif

Titel: Der goldene Greif
Autoren: Gabriel Galen
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noch durch die Krallen des Greifen bedroht gesehen, bis ihm klar wurde, wem der Angriff des Wesens galt. Kaum hatte er sich wieder gefaßt, als das durchgehende Pferd ihn bein a he mit in die Tiefe gerissen hätte. Im letzten Augenblick hatte sich Raigo flach auf den B o den geworfen, und das Tier war über ihn hinwegg e setzt.
    Schaudernd blickte er in die Schlucht, in der seine Gegner ihr Ende gefunden ha t ten.
    Doch seine Verwunderung sollte noch größer werden. Rauschende Flügelschläge kündeten die Rückkehr des Greifen an. Nur etwa drei Schritte von Raigo entfernt ließ sich das Wesen auf dem Boden nieder. Halb mit Furcht, halb mit Freude erhob sich Raigo. Nun sah er die gewaltigen Formen seines Pfleglings dicht vor sich.
    Der geschmeidige Löwenkörper war von einem dichten, seidigen Fell bedeckt, das im Licht der niedergehenden Sonne golden erstrahlte. Die riesigen Schwingen lagen zusammeng e faltet an dem schlanken Leib, der sitzend auf den Löwenpranken ru h te. Die Vorderklauen waren geformt wie die eines Adlers und mit glänzenden Hornplättchen wie mit kleinen Goldmünzen überzogen. Auf dem stolzen Nacken saß ein Adlerkopf, aus dessen nach t schwarzem Gefieder goldschimmernde Augen Raigo mit durchdringender Schärfe ansahen. Auch der Vorderleib und der obere Teil der Vordergliedmaßen war mit glänzenden Federn bedeckt. Der lange Löwenschweif, an seinem Ende ebenfalls schwarz gefiedert, peitschte den Boden.
    Lange betrachtete Raigo das herrliche Geschöpf, das ihn, ohne sich von der Stelle zu rü h ren, eingehend musterte. Ein heißes Gefühl von Bewunderung, Dankbarkeit und Liebe wal l te in Raigo auf, das ihn jede Angst vergessen ließ. Ohne zu zögern ging er nun auf den Greif zu. Als er ihn erreicht hatte, ließ er sich vor ihm auf ein Knie nieder. Wieder erstaunte ihn die gewaltige Größe des Tieres, dessen Augen nun auf ihn herabblickten. Wie unter einem Zwang hob Raigo den Arm und legte die Hand auf das glatte Gefieder des Halses, wo es in das dichte Fell überging. Der Greif duldete die sanfte Berü h rung ohne Bewegung.
    Raigo war es, als flöße ein warmer Strom zwischen ihm und dem Geschöpf, und er hatte den Wunsch, seine Hand nie mehr von der seidigen Glätte unter seinen Fi n gern lösen zu müssen. Mit einem Mal jedoch erhob sich der Greif.
     
    , Ich danke dir für das, was du für mich und meinen Bruder, den Adler, getan hast’, erklang auf einmal eine Stimme in Raigos Kopf. , Du hast uns dadurch zu Freunden und Gefährten gewonnen, die für dich ihr Leben geben würden.’
     
    „Was ist das?“ stammelte Raigo. Er stand auf und griff sich mit beiden Händen an die Schl ä fen.
     
    ,Fürchte dich nicht!’ sagte die Stimme. ,Dadurch, daß du mich berührtest, wurde das Band zwischen uns geknüpft, und nun kannst du mich hören. Denn wisse, daß wir Greifen über manche Fähigkeiten verfügen, die den Menschen unbekannt sind.’
     
    „So bist du es, der zu mir spricht?“ fragte Raigo erstaunt und schaute den Greif u n gläubig an.
     
    ,Ja, aber du brauchst nicht auszusprechen, was du mir sagen willst’, antwortete der Greif. , Du brauchst es nur zu denken. Was von deinen Gedanken für mich b e stimmt ist, werde ich immer empfangen, seist du auch noch so weit entfernt von mir. Du hast mich gerettet, und daher werde ich dich eine Zeitlang begleiten, bis ich meinem eigenen Schicksal folgen muß. Doch sieh, da kommt mein Bruder, der Adler! Auch er wird dich begleiten, und wenn du es wünschst, braucht ihr euch nie mehr zu trennen, wie wir beide es bald tun müssen.’
     
    Wirklich kam der Adler herniedergeschwebt, den Raigo über den phantastischen Gesche h nissen fast vergessen hatte. Raigo hielt ihm den Arm hin. Der große Vogel setzte sich da r auf und schaute Raigo mit seinen klugen Augen an. Dann wandte er seinen Blick dem Gre i fen zu, und die beiden schienen eine Weile stumme Zweispr a che zu halten.
     
    ,Wir müssen von hier fort!’ hörte Raigo dann wieder die Stimme des Greifen. ,Der Adler hat unterdessen die Gegend erkundet. Ein großer Trupp Reiter nähert sich. Die beiden von vo r hin waren wohl nur die Vorhut. Sieh nach dem Pferd, das in die Felsen gelaufen ist. Du wirst es brauchen, wenn du deinen Verfolgern entkommen willst. Ich kenne deine Geschic h te, denn du hast oft darüber nachgedacht, als du über uns auf dem Felsen lagst. Ich könnte dich zwar eine Strecke weit tragen, aber meine Krallen dürften nicht gerade bequem für dich sein. Da r um solltest
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